Das Trauma
in eine negative Richtung beeinflusst haben und dass sie nun mit dem Gedanken an Trennung spielen. Sie glauben jedoch, dass das zu noch größeren Problemen für den Sohn führen könnte, da der mit Veränderungen nur sehr schwer fertig wird. Die Mutter gibt zudem zu, dass sie Angst davor hat, mit ihrem Sohn allein zu sein, da dieser entsetzliche Wutanfälle bekommen kann, wenn etwas nicht nach seinem Willen geht. Vor einigen Tagen hat er sie angegriffen, als sie nach wiederholten Mahnungen am Ende seinen Computer abschaltete, nachdem er über die verabredete Zeit hinaus an einem Computerspiel gesessen hatte. Bei diesem Zwischenfall hat er sie geschüttelt und sie als miese Kuh bezeichnet. Die Eltern glauben, der Junge brauche vielleicht eine andere Wohnform.
Jovana Stagovic, Sozialpädagogin
Besprechung in der Praxis.
Elin hält einen Stapel Rechnungen auf den Knien und sieht unglücklich aus. Als sie heute Morgen zur Arbeit gekommen ist, war sie plötzlich nicht mehr schwarzhaarig, sondern rot, und ihre üblichen schwarzen Kleider waren einem Kleid im Stil der fünfziger Jahre und groben Stiefeln gewichen.
»Aber wer soll dann die Rechnungen unterzeichnen?«
»Das spielt keine Rolle«, sagt Sven müde. »Solange es jemand von uns ist. Du kannst sie nicht einfach bezahlen, das musst doch sogar du kapieren.«
Elin wird rot und starrt wortlos die Tischplatte an.
Aina wirft Sven einen kühlen Blick zu und legt mütterlich ihre Hand über Elins.
»Elin, es waren nur tausend Kronen. Das vergessen wir jetzt.«
»Die Schwedische Adressenregister AG? Wie konntest du so verdammt bescheuert sein, das zu bezahlen? Das weiß ja wohl alle Welt, dass das ein Schwindel ist.«
Sven fährt sich mit der Hand durch seine ungewaschenen graumelierten Haare, und ich merke, wie Schweißgeruch sich im Zimmer verteilt. Aina und ich befürchten, dass Sven sich gehen lässt, dass er zu viel trinkt.
Ich denke an unser Gespräch von vor einigen Wochen. Da hat er gesagt, er wäre fertig mit der Liebe. Und mit dem Alkohol. Dass er den Schnaps nie wieder anrühren werde. Ich muss feststellen, dass er dieses Versprechen nicht sonderlich lange gehalten hat. Aber so ist es wohl meistens.
»Sven«, sagt Aina warnend.
»Wir sollten es dir vom Gehalt abziehen«, sagt Sven.
Elin lässt die Papiere mit einem Knall auf den Boden fallen, schlägt die Hand vor den Mund, wie um eine Bemerkung zu unterdrücken, und stürzt aus dem Zimmer.
»Das war jetzt ziemlich kontraproduktiv. Bloß, weil du Probleme hast, brauchst du sie nicht unbedingt an anderen auszulassen.«
Aina sieht ruhig aus, aber in ihrer Stimme liegt eine gefährliche Schärfe, ein spitzer Ton, der verrät, dass sie ziemlich empört ist.
»Meine Probleme haben damit nichts zu tun.«
»Deine Probleme haben alles damit zu tun, das weißt du«, sagt Aina gelassen.
»Ach was, jedenfalls locke ich nicht Verrückte mit Schusswaffen an.«
»Aber«, sage ich, weil auch ich Svens miese Laune langsam satthabe, »unsere Schuld ist es ja wohl auch nicht gerade.«
Sven murmelt irgendetwas über Vijay.
»Was?«, fragt Aina. »Wenn du Probleme damit hast, dass wir für Vijay arbeiten, dann sag das, statt hier herumzumuffeln.«
»Wenn ihr nicht unbedingt an dieser Studie hättet teilnehmen wollen, dann wäre das alles nie passiert. Wenn ihr mich fragt, dann arbeitet er nur mit euch zusammen, um sich wichtig zu machen.«
Seine Stimme ist leise aber feindselig, und abermals rieche ich den Schweiß, quer über den ovalen Tisch hinweg.
»Du weißt so gut wie wir, dass wir Geld brauchen«, sagt Aina.
Sven schweigt und beißt die Zähne zusammen, greift sich dann seine moosgrüne Cordjacke, die über der Stuhllehne hängt, und stürzt ebenso eilig aus dem Zimmer wie vorher Elin.
Aina erwidert meinen Blick, ohne etwas zu sagen.
Seit Hillevi erschossen worden ist, benimmt Sven sich Aina und mir gegenüber offen feindselig. Er scheint uns Vorwürfe zu machen.
Er hat Vijay noch nie leiden können. Vijay hat Erfolg, Vijay ist Professor, obwohl er noch keine vierzig ist. Vijay ist alles, was Sven werden wollte, aber nie geworden ist. Eine konstante und quälende Erinnerung an seine eigene Unzulänglichkeit.
»Er stinkt«, sagt Aina.
»Ja, das habe ich bemerkt. Wir müssen mit ihm reden. So geht das nicht mehr. Er kümmert sich ja nicht einmal mehr um seine persönliche Hygiene.«
Dann klingelt das Telefon. Ich hebe es hoch und schaue auf das Display, kenne die Nummer nicht.
»Geh du ran«,
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