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Das Trauma

Das Trauma

Titel: Das Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe
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hat auch erzählt, dass Sie den Täter laufengelassen haben.«
    »Wir haben nicht zu entscheiden, ob jemand schuldig ist oder nicht und welche Folgen ein Urteil dann hat. Das Gericht hat ihn freigesprochen.«
    »Weil einige seiner Kumpels ihm ein Alibi verschafft haben, ja.«
    Roger zuckt mit den Schultern.
    »So was kommt vor. Man kann nicht alle Verbrecher einbuchten. Das verstehen Sie doch sicher. Aber wenn Sie wissen, was Malin passiert ist, dann wissen Sie möglicherweise auch, dass Susanne Olsson eine der fünf Personen war, die dem mutmaßlichen Vergewaltiger ein Alibi gegeben hat?«
    »Ja, das hat sie mir erzählt. Nicht den anderen in der Gruppe, aber mir.«
    »Ach, und was hat sie genau gesagt?«
    »Nur das. Dass Susanne Olsson ihm ein Alibi gegeben hat und dass Sie sie befragt haben. Sie war außer sich.«
    »Außer sich, warum denn?«
    »Aber das ist doch kein Wunder. Nach allem, was passiert ist, da muss eine Vernehmung doch die Erinnerung an ihre Vergewaltigung und die Gerichtsverhandlung zum Leben erwecken, und da geht es ihr eben schlecht.«
    Roger nickt scheinbar verständnisvoll und fährt sich mit der Hand über den ergrauenden Schnurrbart.
    »Und welches Bild haben Sie von Malin Lindbladh? Welches … klinische Bild? Ist sie zurechnungsfähig, wie wir früher gesagt haben? Glaubwürdig?«
    Vor mir sehe ich Malin, wie sie ausgesehen hat, als sie zu mir gekommen ist. Ihr müdes Gesicht. Ihren zusammengekrümmten Körper. Angst, Verzweiflung.
    »Ich halte sie absolut für zurechnungsfähig, ein wenig außergewöhnlich vielleicht, aber auf jeden Fall zurechnungsfähig.«
    »Außergewöhnlich? In welcher Weise?«
    Ich rutsche in dem unbequemen Besuchersessel hin und her, habe Angst, mich falsch auszudrücken, unnötigen Verdacht auf Malin zu lenken.
    »Ich glaube, es ging ihr nach der Vergewaltigung sehr schlecht. Sie setzt sich und ihren Körper hartem Training, Diät und anderen Disziplinarmaßnahmen aus, um ihre Angst zu kontrollieren. Das ist mein Eindruck. Mein klinischer Eindruck«, sage ich und lege den Kopf schräg.
    Roger lacht.
    »Und was ist mit ihrer Glaubwürdigkeit, was meinen Sie? Vertrauen Sie ihr?«
    Ich denke eine Weile über Malins Bericht nach. Nichts, was sie erzählt hat, kommt mir gelogen oder übertrieben vor. Ich sehe keinen Grund, ihr nicht zu glauben.
    »Ja, ich halte sie für glaubwürdig. Man kann es natürlich niemals wissen, aber ich finde doch … ja, ich glaube ihr.«
    Roger Johansson grinst.
    »Interessant, dass Sie sagen, dass man es niemals wissen kann. Sie haben doch eine Menge Kollegen in der Gutachterszene, die alle möglichen Eide schwören würden. Denken Sie nur an Qvick.«
    Er schüttelt den Kopf, wie um mich zu bedauern, weil ich in einer dermaßen jämmerlichen Branche tätig bin, voller Besserwisser und Scharlatane.
    »Mein Urteil ist, sie ist glaubwürdig, und man kann nie wissen.«
    Wieder nickt er, begegnet meinem Blick und knallt sein kleines schwarzes Notizbuch zu. Unser Gespräch ist zu Ende.

Auszug aus dem Bericht des Jugendamtes
    Dem 14-jährigen Jungen wird vorgeworfen, einen 34-jährigen Ladenbesitzer brutal angegriffen zu haben, nachdem dieser den Jungen wegen Ladendiebstahls angezeigt hatte. Der Zwischenfall ist zur Anzeige gebracht worden, in dem Fall wird ermittelt. Der Junge sagt aus, er habe den Mann zwar geschlagen, der aber habe ihn festgehalten und mit der Polizei gedroht, worauf er in Panik geraten sei und sich freigekämpft habe. Er gibt auch zu, dass er in dem Laden war, der Sportbekleidung verkauft, um eine Armbanduhr zu kaufen, verweigert ansonsten aber jede Aussage.
    Die Eltern des Jungen sagen aus, dass er schon immer große Probleme in der Schule hatte. In den letzten Jahren hat er die Schule nur sporadisch besucht und sich stattdessen mit einer Gruppe von älteren Jungen in der Innenstadt herumgetrieben. Diese Jugendlichen werden der Kriminalität und des Drogenkonsums verdächtigt. Die Familie hatte früher Kontakt zur psychiatrischen Kinder- und Jugendfürsorge, hat aber nicht den Eindruck, dass die Gespräche irgendeinen Erfolg gezeitigt hätten. Auch den Schulpsychologen ist es nicht gelungen, das destruktive Verhalten des Jungen umzukehren und ihn zur Rückkehr in die Schule zu bewegen.
    Die Eltern bezeichnen sich als verzweifelt, sie wissen nicht mehr, was sie noch unternehmen sollen. Sie beobachten die Entwicklung ihres Sohnes mit großer Sorge. Sie teilen auch mit, dass die vielen Konflikte um ihren Sohn ihre Beziehung

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