Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Titel: Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenka Reinerová
Vom Netzwerk:
so bald entlassen wird.«
    »Na ja. Er wußte nicht, daß man Sie schon entlassen wird.« Die Frau nickte bloß. Man stellte lieber keine überflüssigen Fragen. »Schließlich geht mich das ja auch nichts an, nicht wahr? Also lassen Sie den Koffer erst mal hier, und gehen Sie zu ihm ins Krankenhaus. Sie können den Trolleybus nehmen.«
    »Ich werde lieber zu Fuß gehen.«
    »Aber das ist zu weit. Wenn Sie kein Kleingeld haben, leihe ich Ihnen ein paar Kronen. Der Herr Doktor gibt sie mir dann zurück.«
    »Nein, nein, danke.«
    »Na, wie Sie wollen. Ich dachte bloß, Sie brauchen vielleicht bißchen was, wenn man Sie so plötzlich aus dem Sanatorium entlassen hat. Gehen Sie geradeaus bis an die Ecke. Dort ist die Haltestelle. – Was ist denn? Wollen Sie nicht etwas trinken? Oder sich ein wenig hinsetzen?«
    »Nein danke, das ist nichts. Geht schon vorbei. – Und die Kleine, ich meine unsere Petruschka . . .«
    »Die ist im Schulhort. – Ich würde Sie ins Krankenhaus begleiten, wenn ich nicht zur Schicht müßte. In die Franckfabrik, wissen Sie, das heißt in die Kaffeeprodukte, wie wir jetzt sagen.«
    Die Menschen sind gut. Die Menschen sind wirklich gut. Die Frau hat gewiß begriffen, daß etwas los war, und war dennoch so freundlich. Pavel ist nichts passiert.Der Kleinen ist nichts passiert. Es wird schon alles irgendwie . . . aber wie?
    Der Pförtner im Krankenhaus blickte sie kaum an. »Doktor Starek? Das ist doch der Neue. Interne Abteilung, römisch sieben, Pavillon D, Laboratorium.« Da sie sich nicht von der Stelle rührte, fügte er, schon etwas verdrossen, hinzu: »Den Hauptweg bis nach hinten, dann nach links, dort sehen Sie es schon.«
    In der Mittagshitze war der Hauptweg zwischen den weißen Hauswürfeln sehr lang. Endlich fand sie die Abteilung römisch sieben, auch den Pavillon D. Das Laboratorium war im zweiten Stockwerk. Vorsichtig, als ob jeder Schritt eine erschöpfende Leistung wäre, stieg sie die Treppen hoch. Durch die halb geöffnete Tür eines von Sonnenlicht durchfluteten Krankenzimmers sah sie zwei Frauen in weißen Betten. Sie beneidete sie fast.
    Ein schwarzer Pfeil wies zum Laboratorium. Ein sauberer Korridor, an seinem Ende eine Glastür. Und dahinter Pavel. Groß, braungebrannt, mit einer kleinen Narbe über dem linken Auge.
    Warum heißt Ihr Mann Starek und nicht Stárek wie ein richtiger Tscheche?
    Pavel, den sie so lange nicht gesehen, nicht gehört, den sie so lange entbehrt hat.
    Sehr interessant, daß er gerade in Frankreich gekämpft hat und daß es ihm überhaupt nicht eingefallen ist, nach Hause zu fahren und sich gegen die Henker des eigenen Volkes zu stellen.
    Pavel, den bei einem Überfall auf das Gestapokasino in Paris ein Splitter an der Stirn verletzt hat. Meine, nur und nur meine Stelle, pflegte sie die eingefallene Narbe über seinem linken Auge zu nennen.
    Sie streckte die Hand nach der Türklinke aus und ließ sie gleich wieder los, als ob sie sich verbrannt hätte.
    »Gehen Sie nur ruhig weiter«, erklang eine freundliche Stimme hinter ihr. Sie wandte sich um. Eine Nonne, ganz in Schwarz, nur mit zwei riesengroßen, steif gestärkten, schwanenweißen Haubenflügeln auf dem Kopf war hinter sie getreten: »Hier wird niemand aufgerufen.«
    »Ach so«, flüsterte sie und rührte sich nicht von der Stelle. Sie kann doch nicht nach allem, nach der ganzen langen Zeit, einfach hineingehen. Pavel wird erschrecken, irgend etwas geschieht, und alles beginnt von neuem.
    Ein Schädling bleibt immer ein Schädling, der bringt einen Menschen auch mit einem gewöhnlichen Aspirin um die Ecke.
    » Könnten Sie bitte so freundlich sein und Doktor Starek herausrufen? Ich fühle mich nicht ganz wohl und fürchte, daß drinnen . . .«
    Die Nonne verschwand wortlos hinter der Glastür. Nach einer Weile schob sie den Kopf mit den steifen Schwanenflügeln wieder heraus.
    »Er ist nicht hier, ist ins Sekretariat gegangen. Sie müssen ein paar Minuten warten.«
    Sie stieg die Treppen wieder hinunter, trat in die glühende Sonne, schleppte schon kaum die Füße, ein kühler Tropfen Schweiß rann ihr unangenehm den Rücken hinunter. Da erblickte sie ihn.
    In Gedanken, den Kopf leicht gesenkt, in weißem Kittel und weißer Hose ging er langsam auf den Pavillon zu. Plötzlich hob er den Blick. Dann öffnete er nur noch die Arme. Und hatte immer noch die kleine Narbe über dem linken Auge.
    »Ich wußte, daß du uns findest. Durftest du nicht telegrafieren? Wir wären doch an die Bahn

Weitere Kostenlose Bücher