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Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Titel: Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenka Reinerová
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Geld haben wollten. Gute Menschen und Betrüger. Hochstapler und Selbstmörder, Prostituierte und Lebedamen. Strenggläubige Muselmanen und orthodoxe Juden. Einen tschechischen General, einen tschechischen Ingenieur, ein paar tschechische Kaufleute, eine Handvoll tschechischer Flüchtlinge. Und irgendwo, in Sandgruben am Rande der Wüste, internierte tschechische Antifaschisten.
    Weil ich jung war, glaubten alle Leute, sie müßten mir Ratschläge erteilen. Weil ich jung war, traute ich ihnen zum Glück nicht. Gewisse Menschen stellten mir nach. Es war ermüdend, aber unerläßlich, sie geschickt und möglichst schnell und ohne jedes Aufsehen loszuwerden. Drohungen vergaß ich bald, vor Verlockungen war ich ständig auf der Hut. Alles war anders als je zuvor im Leben, ich hatte keine Erfahrung damit, und deshalb hatte ich auch kaum Angst. Bloß vor dem grauen Wölfling, der jeden Abend auftauchte. Wie eine Wunde, die stets von neuem brennt.
    Manchmal genügte es, daß irgendwo ein erhelltes Fenster leuchtete. Dahinter saß eine Familie rund um den Abendtisch. Ich blieb auf der anderen Seite der Straße stehen, an eine Häuserwand gelehnt, blickte in das helle Viereck hinüber, konnte nicht weitergehen, und die Wolfszähne der Einsamkeit gruben sich tief in mich ein. Ein andermal trat irgendwo eine Frau auf den Balkon ihrer Wohnung und rief: »Kinder, kommt nach Hause. Das Essen steht schon auf dem Tisch.« Oder ein Pärchen stand eng umschlungen in einem Hauseingang. »Ich muß schon gehen«, sagte das Mädchen, gerade als ich vorbeikam, »Mutter wird sonst unruhig.« Hinter einem Fenster erblickte ich einen Mann, der gemächlich seine Pfeife anbrannte, gähnte und eine Zeitung entfaltete. Sah eine Frau, die ein Kopfkissen zurechtschüttelte, beobachtete eine Mutter und ihre Tochter, die gemeinsam Geschirr spülten.
    Das alles nahm ich von der Straße her wahr, sah die Menschen in ihren Heimen, spürte, wie der Tag zu Ende tröpfelte. Es dämmerte, und niemand wartete auf mich. Es gab nirgendwo ein Zuhause mehr.
    Neben mir hockte, stumm und mit leerem Blick, mein einziger, unentrinnbarer Weggefährte, der graue Wölfling der Verlassenheit.
    Ein Tropfen Blei im Herzen.
    Einmal, ein einziges Mal in dieser ganzen Zeit, wurde ich in eine Familie eingeladen, in das Haus eines marokkanischen Juden. Als ich hinkam, stellte ich mit Verblüffung fest, daß der Mann zwei Frauen hatte, wie seine muselmanischen Freunde drüben in der Medina. Eine ältere und eine junge Frau. War das bei Juden überhaupt möglich? Zum Abendesssen gab es in diesem Haus eine große, himmelblaue Torte, die wohl mit allen GewürzenArabiens bedacht worden war. Auf jeden Fall mit all seinem Pfeffer. Niemals hatte ich geahnt, daß Essen so scharf sein konnte. Übrigens war alles ganz anders in diesem Haus, anders als meine Vorstellungen, anders als meine törichte Hoffnung. Ich ging nie wieder hin.
    Auch später, zu anderen Zeiten, in anderen Ländern und anderen Städten kam es mitunter vor, daß ich in der Dämmerstunde durch fremde Straßen ging, in den Wohnhäusern leuchteten die Fenster, die Menschen eilten nach Hause . . ., und plötzlich schlurfte wieder der kleine, graue Wölfling hinter mir her. Wäre es jetzt nicht schön, auch unter einer ganz bestimmten Lampe zu sitzen, in einem Zimmer, das man verläßlich kennt? Aber nun blieb das bloß ein Gedanke, eine kleine Schwäche, vielleicht eine Erinnerung an das einstige Gefühl der Verlassenheit. Sie verflüchtigte sich ebenso rasch, wie sie gekommen war. Es gab keine neue Wunde mehr. Jetzt hatte ich ein Zuhause.
    Damals, in Afrika, war der Wölfling vor allem in der abendlichen Dämmerung gefährlich gewesen. Viele Jahre später trat völlig unerwartet eine Zeit ein, da er sich eher in der erwachenden, morgendlichen Dämmerstunde einzuschleichen pflegte.
    Auch dagegen muß und kann man sich wehren.
    Die Nacht bricht sacht entzwei. Ein schimmernder Lichtfinger schiebt sich vom Fenster her ins Zimmer. Die Dinge ringsum nehmen allmählich wieder ihre vertrauten Formen an. Die Blattpflanze im großen Blumentopf, der Lehnstuhl, der Morgenrock über der Sessellehne. Ein Lastwagen dröhnt durch die Straße. Bremsen kreischen, irgendwo geht eine Tür auf, Milchkannen scheppern über das Pflaster. Im Haus wird ein Wasserhahnaufgedreht. Der Aufzug surrt. In einer Küche klappert Frühstücksgeschirr. Jemand läuft die Treppe hinab. Die Straßenbahn klingelt. Auf dem Hof rasselt die Müllabfuhr. Das

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