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Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Titel: Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenka Reinerová
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Lächeln aufsetzen und leichthin sagen: »Wer einmal in der Petite Roquette bei Flugalarm im Keller gesessen ist, vergißt wohl seine Leidensgefährtinnen auch nach vielen Jahren nicht. Auch meine Freundin Tonka – Sie können sich vielleicht an sie erinnern, Madame, die tschechische Studentin aus der Zelle neben Ihnen – hat mir aufgetragen, wenn ich nach Bern kommen sollte, ja bei Ihnen vorbeizuschauen. Aber Verzeihung, ich möchte Sie nun wirklich nicht länger aufhalten.«
    »Keineswegs«, würde sie höflich Einspruch erheben, und in ihrer Stimme würde nun schon unverkennbare Spannung mitschwingen. »Was darf ich Ihnen anbieten? Einen Cognac? Oder vielleicht lieber eine Tasse Kaffee?«
    »Einen kleinen Kaffee. Aber machen Sie sich bitte meinetwegen keine Umstände.«
    Sie würde nach der Haustochter Clara läuten und mich dabei einem schnell prüfenden Blick unterziehen. Ich säße ruhig und gelassen in dem bequemen Fauteuil, dieHandschuhe und Handtasche auf dem Schoß, den Blick auf die zartrosa Nelken in einer geschliffenen Vase vor mir gerichtet. Nur mein Herz würde unregelmäßig klopfen, aber das könnte sie nicht sehen.
    Und dann würde ich mich zusammennehmen und eine kleine Plauderei in Gang bringen über die komische dicke Aufseherin in der Petite Roquette und über die alte Nonne, die schon zu Mata Haris Zeiten dort gewesen sein soll. Nur so nebenbei würde ich einfließen lassen, daß ich während der späteren Kriegsjahre in Übersee war und den Kontakt mit jener Zeit eigentlich gänzlich verloren habe. Und da würde sie bemerken, sie hätte sich in der Normandie aufgehalten, eigentlich ohne größere Aufregung, die ganze Zeit bei der Familie ihres damaligen Mannes. Und vor dem Fenster würde zwitschernd ein Vogel vorbeifliegen, und ich würde spüren, wie sich meine auf der Tasche liegende Hand verkrampft.
    »Es hat mir damals sehr imponiert«, würde ich sagen und meinen Blick langsam in ihrem unbeweglichen Gesicht verankern, »wie Sie mit dem lächerlichen Gefängnisdirektor umgegangen sind. Sie hatten scheinbar vor nichts und niemandem Angst.«
    »Ach!« Sie würde abwinken, und in den dunklen Augen würde sich Hohn und Verachtung zeigen. »Ganz Frankreich war damals lächerlich. – Aber nehmen Sie doch bitte noch ein wenig Kaffee. Oder vielleicht lieber etwas Petits fours? – Darf ich fragen, womit Sie sich jetzt beschäftigen?
    »Jetzt?« würde ich wiederholen, die Handtasche fester umklammern und die spöttischen Augen zwingen, nicht an mir vorbeizuschauen. »Jetzt beschäftige ich mich gerade mit etwas, das Sie zweifellos interessieren wird.«
    Sie würde den kleinen silbernen Kaffeelöffel auf dieUntertasse zurücklegen, und ich würde an dem leichten Klirren erkennen, daß ihre Hand doch ein wenig zittert.
    »Bitte?«
    Vom Fauteuil wären es drei Schritte bis zur Zimmertür, von der Zimmertür ein Sprung bis zur Wohnungstür, zwei Stockwerke kann man im Nu hinunterlaufen, an der Ecke der Straße wäre ein Taxi- stand.
    Ich würde ihr unentwegt ins Gesicht blicken, meine Kaffeetasse ganz langsam und ohne das geringste Klirren zurückstellen und sehr leise sagen: »Ich war vor kurzem in Deutschland. Es gibt dort einen Schwanensee, Madame, an dem sehr viele Frauen gestorben sind. Meine kleine Schwester war darunter. Aber viele von ihnen würden vielleicht noch leben, wenn man Sie 1940, als ich Ihnen in Paris begegnet bin, nach Ihrer Verurteilung erschossen hätte.«
    Ein Ruck. Ich öffnete die Augen. Der Wagen war an einer Straßenkreuzung stehengeblieben. Lichter, Gesprächsfetzen, ein Schutzmann im weitärmeligen, weißen Staubmantel hob und senkte die Arme wie eine Marionette. Wir waren in Berlin.
    Die beiden Männer vor mir im Wagen unterhielten sich leise. Manche ihrer Worte fing ich auf, andere summten bloß so vorüber.
    Am Schwanensee war es bestimmt sehr kalt zu dieser Stunde. Die kahlgeschorenen Bronzemädchen mußten frieren. Die Schwäne hatten ein kleines Holzhaus am Ufer unter den alten Föhren.

Unterwegs mit Franz Schubert
    An dem Tag, von dem hier die Rede sein wird, regnete es ein wenig in Zürich. Als ich am Morgen noch einmal schnell am See entlanglief, hing ein zart grauer Schleier über der großen Wasserfläche, verdeckte den Blick auf das gegenüberliegende Ufer der Limmat, ließ den Dom mit den schmalen, gleich Fingern emporgereckten Fenstern mit den goldgrünen Vitragen von Marc Chagall nur ahnen, verhüllte die Gäßchen der Altstadt, die Bahnhofstraße mit

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