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Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Titel: Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenka Reinerová
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schlugen sofort irgendwelche illustrierten Zeitschriften auf und zeigten nicht das geringsteInteresse für die Landschaft, die der Zug nunmehr durcheilte. Auch zwei weitere Mitreisende waren nicht weiter auffallend.
    Geräuschlos federnd fuhr der Eilzug Franz Schubert den See entlang, der jäh in hellem Sonnenlicht erstrahlte, blank und einladend, mit blühenden Bäumen bis hinunter zum Wasser und schlohweißen Wolkenseglern über den imposanten Bergmassiven. Es war Frühling, und ich freute mich auf die Fahrt durch die Alpen.
    Wenn man in den siebziger Jahren aus meinem Land, der Tschechoslowakei, kam, war man auf strikte Grenzprozeduren vorbereitet. Nichts dergleichen gab es zwischen der Schweiz und Österreich. Jemand steckte einen mit einer Uniformmütze bedeckten Kopf in unser Abteil, die Pässe wurden schnell gestempelt, kein Gepäckstück mußte auch nur verrückt werden. Dann wechselten die Uniformen der Schaffner, und man befand sich in Österreich.
    Franz Schubert, dachte ich, dieser Zug trägt deinen Namen offenbar zu Recht, saust geradezu liebenswürdig beschwingt durch die Gegend.
    Die Alpen lagen noch unter Schnee. Die bekannten Wintersport- und Luftkurorte, die der Zug passierte, wirkten trotzdem schon ein wenig verschlafen. Nur ab und zu schoß ein einsamer Skiläufer einen Hang hinab. Vor einem Hotel saßen einige Frauen in Strecksesseln, vermummt in großkarierte Decken, und hielten ihre hübschen Gesichter der Sonne entgegen. Im Ötztal lieferten sich Kinder in lustigen Wollmützen eine Schneeballschlacht hart an der Bahnstrecke.
    Ich geriet beinahe in Ferienstimmung, so angenehm ließ sich diese Reise an. Im Ötztal war ich nie gewesen, aber meine Mitschülerinnen aus gutsituierten PragerFamilien verbrachten mit ihren Eltern fast jedes Jahr die Ferien im Salzkammergut. Einmal wurde ich von den Eltern einer Schulfreundin nach Alt-Aussee mitgenommen. In meiner Erinnerung blieb eine eiskalte flaschengrüne Wasserfläche, die einem erst den Atem benahm und dann wie ein Brausebad wirkte. Alle, auch die Prager Mädchen, liefen hier im Dirndl herum und wetteiferten um die Gunst der braungebrannten einheimischen Jünglinge beim sonnabendlichen Polsterltanz im Wirtshaus. Dann habe ich auch noch einen älteren untersetzten Mann mit dunklen Augen im Gedächtnis, den ich meistens auf einer Bank vor seinem Haus sitzen sah, den Schriftsteller Jakob Wassermann, dessen Bücher wir damals verschlangen.
    Meine Mitreisenden wechselten. Eine Zeitlang saß mir eine üppige Brünette gegenüber, zwei junge Männer kamen und gingen wieder. Nur das still in der Ecke hockende Ehepaar, die beiden grauen Vögel, rührte sich kaum. Der Mann döste ein wenig, die Frau hob den Blick nicht von ihren Zeitschriften mit den internationalen Schönheiten auf den Titelseiten.
    Abermals hielt der Zug. Ein paar Menschen stiegen aus, andere kletterten in die Wagen. Die Tür unseres Abteils ging auf. Ein älterer Mann, nicht groß und nicht klein, ohne Gepäck, blickte sich um, sagte »Grüß Gott!« und steuerte auf den Fensterplatz mir gegenüber zu, den die üppige Brünette vorher eingenommen hatte. Es war mir entgangen, daß sie schon ausgestiegen war. Der Mann knöpfte seinen kurzen Hubertusmantel auf, verstaute den Hut mit Gemsbart im Gepäcknetz und ließ sich mit einem Seufzer der Erleichterung auf die Polster fallen. Dabei streifte er mich mit einem flüchtigen Blick.
    Weiß Gott, warum ich dabei erschauerte. Der Fremdehatte doch, als er das Abteil betrat, höflich gegrüßt, nichts an ihm war ungewöhnlich oder sonst wie auffallend. Ein gutmütiger Onkel vom Land. Wahrscheinlich ein Rentner, der Briefmarken sammelt oder Blumen züchtet. Er könnte auch einen Hund haben, mit dem er morgens, mittags und abends um den Häuserblock läuft. Bloß der Blick . . .
    Er war übrigens nur ganz kurz, nicht prüfend und nicht beurteilend. Ein Blick, der über mich hinwegging und nur ein klein wenig stockte, als ob der Mann mit Blitzesschnelle etwas an mir erkannt und registriert hätte. Er traf mich nicht, dieser flitzende Blick, er ätzte. Wie der Spritzer aus einer Giftflasche.
    Ich blickte von neuem aus dem Fenster. Berge, Wälder im Nebeldampf, da und dort ein gischtiger Wasserfall, immer weniger Schnee. Mit einem Mal fühlte ich mich müde. Ich war ja auch frühzeitig aufgestanden und jetzt schon ein paar Stunden unterwegs. Ich verkroch mich hinter meinen Mantel und versuchte einzuschlafen. Vergeblich. Da fiel mir ein, daß der Franz

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