Das Traumprinzen Casting
als getan.
Ich versuche mich zu konzentrieren, um nicht wieder los zu lachen. Olgérs Fuß ist derart in der Schlinge verdreht, dass ich ihn wahrscheinlich nur mithilfe einer Schere daraus befreien kann. Den Schuh einfach auszuziehen ist unmöglich. Und: Wie soll ich überhaupt an Olgérs Fuß herankommen?
„Halt noch kurz aus, ich muss eine Leiter besorgen!“, vertröste ich den Unglücksraben.
„Bitte, mach schnell“, wimmert Olgér. „Mein Bein tut so schrecklich weh!“
Ich verspreche ihm, mich zu beeilen. Wo ist denn bloß unsere Leiter? Im Wandschrank im Flur, wo sie sonst immer stand, ist sie nicht. Da fällt mir ein, dass Olgér neulich morgens mit der Leiter aus dem Haus gegangen ist. „Olgér, wo ist die Leiter?“, brülle ich.
„Oh nein, die ist noch in meiner Firma. Bitte, Lola, tu was! Ich halte das nicht mehr au-au-au-aus!“
Heilige Scheiße, denke ich. Wo kriege ich jetzt eine Leiter her? Vielleicht hat die alte Frau Huber über uns eine?
„Ich laufe schnell hoch zu Frau Huber und frage sie, ob sie eine Leiter hat“, rufe ich und renne ohne Olgérs Antwort abzuwarten schnell aus dem Zimmer. Hinter mir höre ich die Kamera weiter klicken. Die habe ich ganz vergessen. Der arme Olgér wird immer noch fotografiert. Aber jetzt habe ich keine Zeit, die Leiter ist wichtiger. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend sprinte ich nach oben. Schnaufend stehe ich vor Frau Hubers Türe und klingele Sturm. Hoffentlich ist sie da!
Hundegebell ertönt hinter der Haustüre, dann öffnet sie sich einen klitzekleinen Spalt und Frau Huber lugt hinaus. „Ja, bitte?“, fragend blickt sie mich durch ihre dicke Hornbrille an.
„Frau Huber -pfff- ich bin Lola Ernst, von unten. Ein Notfall -pfff- ! Haben Sie eine Leiter?“, pfeife ich. Meine Kondition ist momentan nicht die beste. Die paar Stufen hoch zu sprinten hat mich ganz schön aus der Puste gebracht.
„Warum?“, fragt Frau Huber misstrauisch.
„Frau Huber, bitte, ich habe keine Zeit. Haben Sie eine Leiter oder nicht?“, drängele ich.
„Ja, habe ich“, antwortet Frau Huber. „Warum?“
Frau Huber macht keinerlei Anstalten ihre Türe weiter zu öffnen. Durch den Türspalt blickt sie mich argwöhnisch an.
„Mein Mitbewohner steckt in der Klemme. Bitte, machen Sie schnell, ich muss ihm helfen!“
„Warum?“
„Kann ich nicht erklären! Das muss man gesehen haben. Bitte, holen Sie die Leiter!“
„Ihr Mitbewohner?“
„Ja, Holger Neumann, mein Mitbewohner!“
Scheinbar war das die richtige Antwort. Frau Huber öffnet ihre Haustüre und geht endlich die Leiter holen. Sofort schießt ihr kläffender Hund heraus und springt mich an. Nach dem Erlebnis mit Bones habe ich eigentlich erst einmal genug von Hunden. „Weg! Kusch! Ab!“, schimpfe ich. Ich kann Frau Hubers Hund nicht leiden. Er kläfft ständig und macht sein Geschäft vor unserer Haustüre. Ich bin schon einige Male auf dem Weg zur Arbeit in seine Tretminen gelatscht. Eine echte Sauerei! Das wollte ich Frau Huber schon lange sagen, aber im Moment brauche ich ihre Hilfe. „Frau Huber?“, rufe ich. „Haben Sie die Leiter?“
„Moment noch!“, flötet es aus der Wohnung.
Was macht die Huber denn da so lange? Und wieso ist sie auf einmal so gut gelaunt?
„Es kann losgehen! Ich bin so weit!“ Frau Huber kommt mit einer Haushaltsleiter in der Hand um die Ecke gehüpft.
Ich sehe sie an und bin sprachlos.
Die dicke Hornbrille ist verschwunden. Stattdessen trägt Frau Huber nun eine schicke silberfarbene Brille. Außerdem hat sie sich in der kurzen Zeit, die ich vor ihrer Türe gewartet habe, eine Art Kriegsbemalung zugelegt - türkisfarbener Lidschatten und kirschroter Lippenstift. Eine Wolke von Lavendelparfüm umweht ihren Körper, der in einem halbdurchsichtigen roten Seidenkleid steckt. Wahrscheinlich passte ihr das Kleid vor 20 Jahren, aber nun sieht Frau Huber darin aus wie eine Presswurst. Warum zum Teufel hat sie sich bloß so aufgetakelt? Unfähig etwas zu sagen, stehe ich im Hausflur, während Frau Huber mir die Leiter in die Hand drückt. Danach schubst sie ihren Hund in die Wohnung zurück und zieht die Türe hinter sich zu.
„Was stehen Sie da herum? Los auf zur Rettungsmission!“, meint sie dann und stolziert die Treppe hinunter.
Ich folge ihr. Eigentlich wollte ich ihre Hilfe überhaupt nicht, sondern bloß eine Leiter, aber das steht wohl gerade nicht zur Debatte.
„Huhu Herr Neumann, hier kommt ihre Rettung! Wo sind sie denn?“, ruft Frau Huber
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