Das Traumtor Band II (German Edition)
niemand wird wagen, etwas zu tun, was unserem König schaden könnte. Es gibt nur wenige an diesem Hof, die unseren Herrn nicht und lieben und ehren, und diese – glaube mir – hat er beizeiten gelehrt, ihn zu fürchten! Also kannst du sicher sein, dass Ilin dir ihre Gunst so lange schenken wird, wie sie meint, dass du ihr von Nutzen sein kannst. Geh nun und genieße, was sich dir bietet, wenn du es kannst. Aber sei auf der Hut und mögen die Götter deine Seele wappnen!“
Zögernd erhob sich Narin, denn er fühlte sich trotz Lestons Zuspruch ausgesprochen unbehaglich. War nicht das, was er zu tun beabsichtigte, ehrlos und seiner nicht würdig? Doch dann warf er seine Bedenken über Bord. Um seiner geliebten Herrin Athama die Rückkehr zu ermöglichen, war ihm jedes Mittel recht. War er nicht sogar bereit gewesen, für seine Liebe zu morden? Ilin verdiente es, hintergangen zu we rden für all das, was sie verschuldet und für das, was sie weiterhin im Sinn hatte. Er würde sie für seine Pläne benutzen, genau wie sie vorhatte, ihn für ihre eigenen Ziele einzuspannen. Sie würde nur die betrogene Betrügerin sein. An der Tür drehte er sich noch einmal um, zwinkerte Leston zu und hob die Hand in Siegerpose. Dann eilte er hinaus, um rechtzeitig seinen Dienst vor Ilins Gemächern anzutreten.
***
Ilin war verstimmt. Seit Tagen versuchte sie, diesen Narin zu reizen, doch entweder war er blind oder schrecklich schüchtern. Was hatte sie nicht alles versucht, um ihn dazu zu bringen, dass er sie küsste! Sie war einmal sogar mit Absicht bei einem ihrer Ausritte vom Pferd gefallen. Als er sie aufhob, hatte sie die Ohnmächtige gespielt, in der Hoffnung, er würde die gute Gelegenheit nutzen, ihr Kleid zu öffnen. Doch er hatte sie nur ins Gras gebettet und ihr ein feuchtes Tuch auf die Stirn gelegt. Selbst als sie - die Erwachende spielend - zärtlich seinen Namen gemurmelt hatte, war er auf Distanz geblieben und hatte sie nur gefragt, ob sie sich verletzt habe und er sie nach Hause bringen solle. Sie nahm sich vor, an diesem Abend aufs Ganze zu gehen. Reagierte er dann immer noch nicht, würde sie Targil bitten, ihr einen anderen Leibwächter zuzuteilen. Vielleicht zeigte ein anderer sich zugänglicher. Aber sie würde Narin nur ungern gehen lassen, denn er war ein gut aussehender Mann, und das hätte der Verwirklichung ihrer Pläne noch einen überaus reizvollen Aspekt gegeben. Gut, noch einmal wollte sie es versuchen, und wenn Narin nicht aus Holz war, müsste er endlich merken, was die Stunde geschlagen hatte. So schickte sie ihre Zofe zu Bett und sagte ihr, dass sie sie vor dem nächsten Morgen nicht mehr brauchen würde. Als das Mädchen verschwunden war, wartete sie noch eine Weile ab und rief dann Narin herein. Als dieser ins Zimmer trat, wäre im fast ein Ausruf des Erstaunens entfahren. Ilin trug nur ein langes Hemd aus zarter Spitze, dass durch schmale Schleifen auf ihren Schultern gehalten wurde. Das Zimmer wurde nur durch einen Kerzenleuchter erhellt, und da die Lichtquelle sich hinter ihr auf dem Tisch befand, zeichnete ihr Körper sich so deutlich unter dem dünnen Stoff ab, dass es Narin fast den Atem verschlug. Nur mühsam fand er seine Stimme wieder.
„Ihr habt mich gerufen, Herrin?“ stammelte er heiser. „Was kann ich für Euch tun?“
„Ich wollte dich fragen, ob du nicht Lust hättest, mir ein wenig Gesellschaft zu leisten“, gurrte Ilin, und ihr Lächeln sagte mehr als tausend Worte. „Ich kann nicht schlafen, denn die Nacht ist so schwül. Aber ich wollte meine Zofe nicht wecken, denn ich hatte ihr gesagt, dass ich sie heute nicht mehr brauchen würde. Da du aber sowieso Dienst hast, sehe ich nicht ein, warum du mich nicht genauso gut hier drinnen beschützen kannst. So haben wir beide etwas gewonnen: ich kann mich mit dir unterhalten, und du kannst es dir etwas gemütlicher machen. Leg getrost dein Schwert ab. Ich erlaube es dir.“
Gehorsam schnallte Narin sein Schwertgehänge ab und legte die Waffe auf ein kle ines Tischchen, das in Reichweite stand.
„ Bevor wir uns niedersetzen, um zu plaudern, möchte ich dich noch um einen Gefallen bitten, Narin“, fuhr Ilin fort. „Seit meinem Sturz vom Pferd schmerzt mich manchmal die rechte Schulter. Auch heute Abend spüre ich es wieder. Leston gab mir eine Salbe, mit der die Stelle eingerieben werden soll. Da ich vergaß, meine Zofe damit zu beauftragen, sei doch so gut und übernimm das.“
Sie hielt Narin ein Salbentöpfchen
Weitere Kostenlose Bücher