Das Traumtor Band II (German Edition)
sich ihre Erstarrung endlich löste, brach sie enthemmt in Tränen aus. Wut, Scham und Enttäuschung brannten in ihr und schüttelten ihren Körper in krampfartigem Schluchzen. Nur langsam verebbte das Zucken ihres Körpers, doch nach einer Weile lag sie still. Rowins Worte hatten sich wie Säure in ihr Bewusstsein geätzt, und seine Verachtung, die er ihr so unverhohlen entgegengeschleudert hatte, war wie eine Axt in den Stamm ihres übersteigerten Selbstwertgefühls gefahren. Doch ihr stolzer Hochmut weigerte sich, die Wahrheit in seinen Worten zu sehen. Ihr oberflächlicher Charakter und ihre mokante Verzogenheit ließen sie die Verwerflichkeit ihres Tuns nicht begreifen. So kam sie für sich sehr bald zu dem Schluss, dass der wahre Grund für Robbins Zorn darin lag, dass er sie gegen seinen Willen hatte heiraten müssen. Da sie grundsätzlich nur ihre eigenen Gefühle als Maßstab setzte, schien ihr diese Deutung durchaus logisch. Wäre sie gegen ihren Willen mit ihm verheiratet worden, hätte sie sich ihm ebenso verweigert wie er sich jetzt ihr, selbst wenn er sie als Mann gereizt hätte. So ging sie davon aus, dass er ihr über seine angeblich so wundervolle Geliebte ein Märchen aufgetischt hatte, um sie zu demütigen. Wenn er glaubte, dass sie in diese Geschichte abnahm, hatte er sich gewaltig geirrt! Er würde diese Frau wohl fortgeschickt haben, weil er sie sowieso leid war, und versuchte nun, sie dafür verantwortlich zu machen, um für sein eigenes Tun eine Entschuldigung zu haben. Aber das konnte er mit einer Prinzessin von Muran und jetzt Königin von Valamin nicht machen! Sie würde es ihm schon zeigen!
Ilin hatte nie erlebt, dass es einen Mann gab, der sie nicht begehrte. Und schließlich war auch Rowin nur ein Mann und zwar einer, der nie wie ein Eunuche gelebt hatte. So war sie der festen Überzeugung, dass es ihm unmöglich wäre, monatelang in i hrer Nähe zu leben, ohne sich ihr zu nähern. Wenn sie ihn jedoch erst einmal so weit hatte, meinte sie, dass der Rest ein Kinderspiel sei. Sie glaubte natürlich auch kein Wort davon, dass es Rowin egal sei, wenn sie sich einen Liebhaber nähme. War er nicht damals am Hof Ihres Vaters schrecklich eifersüchtig auf jeden Mann gewesen, der in ihre Nähe kam? Sie würde ausprobieren, ob es ihm wirklich gleichgültig war. Einen geeigneten Kandidaten für dieses Spiel hatte sie sich auch schon ausgesucht. Der hübsche junge Wachsoldat, der als ihre persönliche Leibgarde abkommandiert war, wäre dafür sehr gut geeignet. Mit ihm würde ihr Plan sogar Spaß machen. Sie zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass sich der junge Mann von ihr benutzen lassen würde. Hatte sie Rowin erst einmal in ihre Netze gezogen, würde sie ihm seine Unverschämtheit schon heimzahlen. Die ganze Nacht lag sie wach und malte sich aus, wie sie Rowin dann demütigen würde. Der Morgen graute schon, als sie endlich unzufrieden und wütend, aber mit Zuversicht in ihrem Herzen einschlief.
Wenn Ilins Zofe sich nach ihrer Genesung auch wundern mochte, dass der König nie in den Gemächern seiner Gemahlin zu finden war, so machte sie sich doch wenig Gedanken darüber. Sie kannte Ilins Launenhaftigkeit zur Genüge und nahm daher an, Ilin sei ihres Gatten bereits überdrüssig oder habe sich mit ihm überworfen. Da sich die Königin aber offensichtlich für ihren Leibwächter zu interessieren begann, glaubte sie zu wissen, aus welchem Busch der Vogel pfiff. Auch Narin konnte nicht umhin, Ilins offensichtliche Aufmerksamkeit für ihn zu bemerken. Zuerst stellte er sich dumm und schüchtern, doch als die Avancen der Königin immer deutlicher wurden, bekam er es mit der Angst zu tun und suchte Rat bei dem alten Leston.
„Was soll ich nur machen?“ fragte er hilflos und verzweifelt, als er eines Abends in Lestons Laboratorium saß. „Ich weiß weder aus noch ein! Weise ich Ilin ab, wird sie versuchen, mir zu schaden oder einen anderen als Garde zu bekommen. Dann aber würden wir nicht mehr sicher erfahren können, was sie treibt. Und außerdem b estünde dann die Gefahr, dass sie diesen Kameraden auf ihre Seite zieht. Sie könnte einen Mann wohl um den Verstand bringen, der gegen ihre Künste nicht gefeit ist wie ich, der sie hasst. Aber genau darum kann ich ihr nicht zu Willen sein, denn obwohl ihre Schönheit mich durchaus reizt, kann ich meine Abneigung gegen sie nicht überwinden. Und nicht nur das! Was würde der König tun, wenn er erfahren würde, dass seine Gemahlin ihn mit
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