Das Traumtor (German Edition)
Wenn du willst, werde ich dich gern dorthin begleiten. Doch ich weiß nicht, wie wir das Rowin beibringen sollen. Er darf nicht erfahren, daß du den Grund seines Kummers kennst, denn er hat jedem schwere Strafe angedroht, der dir von Ilin und der Forderung Murans berichtet. Und er darf erst recht nicht erfahren, daß ich es war, der dir davon erzählte. Ich weiß genau, er würde mich mit eigener Hand töten, wenn er wüßte, daß ich dich gebeten habe, ihn zu verlassen. Aber dieses Risiko muss ich eingehen – um deinetwillen genauso wie um seinetwillen und für das Volk von Valamin! Ehrlich gesagt, ich weiß zwar, daß dein Fortgehen die einzige Lösung ist, aber ich weiß wirklich nicht wie es zu bewerkstelligen ist, daß Rowin es zulässt.“
„Nun, so werden wir einen Plan machen müssen“, seufzte ich, „ der ihn dazu bringt. Ich will aber nicht, daß er noch unglücklicher wird, wenn er merkt, daß ich mich von ihm trennen will. Laß mir ein wenig Zeit, Targil. Ich weiß, daß ich etwas finden werde, ohne ihm noch mehr Kummer zu bereiten.“
Targil erhob sich und zog mich fest in die Arme. „Ich verehre und liebe dich, Athama!“ sagte er und küsste mich auf die Stirn. „Und ich achte dich umso höher, weil ich genau weiß, welches Opfer du zu bringen bereit bist. Nur wenige Menschen könnte man um so etwas bitten, und ich hätte es nicht gewagt, wenn ich nicht wüßte, daß du Valamin ebenso liebst wie ich. Du bist wahrhaftig Athama, die Schenkende, und ich werde Rowin eines Tages erzählen, was du für ihn und sein Volk zu geben bereit warst.“ Er verbeugte sich tief vor mir, die Hand auf dem Herzen. Dann ging er hinaus und ließ mich allein.
Man möge mir ersparen zu beschreiben, wie ich die nächsten Stunden verbrachte, denn ich erinnere mich nur noch an den alles umfassenden Schmerz, den ich empfand. Erst am nächsten Abend hatte ich mich so weit gefaßt, daß ich wieder den Anblick anderer Menschen ertragen konnte. Deina hatte von Targil von unseren Gespräch erfahren und war ängstlich bemüht gewesen, alles von mir fernzuhalten. Sie hatte das Märchen von heftigen Kopfschmerzen erfunden und mir somit jede Störung erspart.
Als Rowin zwei Tage später zurückkehrte, war ich wieder in der Lage, in lächelnd zu begrüßen, obwohl mir sein Anblick wie ein Dolchstoß durch die Seele fuhr. Natürlich bemerkte er, als wir allein waren, daß ich anders war als sonst, und er fragte mich mit besorgter Zärtlichkeit, was mit mir wäre. Ich hatte mir in der Zwischenzeit eine Geschichte überlegt, wie ich ihn über meine Seelenqualen hinweg täuschen konnte, ohne ihn zu beunruhigen. Gleichzeitig sollte sie in ihm die Bereitschaft wecken, mich nach Euribia gehen zu lassen. Wir hatten uns an diesem Abend mit der Wildheit des Schmerzes geliebt, der in uns beiden brannte. Nun lagen wir eng umschlungen auf den weichen Fellen vor dem flackernden Kamin, die Nähe des anderen wie einen kostbaren Wein genießend und jede Sekunde der uns langsam unter den Händen entrinnenden Zeit mit vollem Bewusstsein auskostend. Rowins Finger zogen zärtliche Kreise auf meiner Haut, und ich war versunken in den Anblick seines nackten Körpers, unter dessen glatter, gebräunter Haut sich die kräftigen Muskeln in weichen Linien abzeichneten.
„Ich möchte dich um etwas bitten, Rowin “, brach ich das Schweigen, das uns wie eine Umarmung miteinander verbunden hatte.
„Sag mir, was du dir wünschst, mein Herz!“ flüsterte er dicht an meinem Ohr. „Gern will ich dir alles erfüllen, was in meiner Macht liegt.“
„Ich habe erfahren, daß in Euribia am Meer ein weiser Magier lebt“, fuhr ich fort. „Er soll große Macht besitzen, und ich frage mich, ob er nicht einen Weg kennt, der eure Welt mit der meinem verbindet.“
Entsetzt vor Rowin hoch. „Du willst mich doch nicht verlassen, Athama?“ rief er er-regt.
„Nein, nein! Beruhige dich doch, mein Liebling!“ log ich, obwohl ich den Tränen nahe war. Ich zog ihn wieder zurück in meine Arme. „Hör mir doch erst einmal zu! Du weißt, wie sehr ich dich liebe, und du weißt auch, daß ich dich nie ohne Zwang verlassen würde. Aber du weißt auch, daß es mich stets bedrückte, nie die Gewissheit darüber erlangt zu haben, ob es überhaupt einen Weg zurückgibt. Ich weiß nicht, wie es dir erklären soll, aber irgendwie habe ich immer das Gefühl, hier gefangen zu sein. Wüßte ich aber, daß es einen Weg zurück in meine Welt gibt, denn wäre mir klar, daß ich aus
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