Das Traumtor (German Edition)
nicht nur einen Teil der Strafe von mir genommen habt. Mit Eurer Bitte habt Ihr mein Leben erhalten. Denn nie hätte ich die Verbannung vom Hof ertragen. Sobald ich wieder dazu in der Lage gewesen wäre, hätte ich mich in mein Schwert gestürzt, denn ich hätte meinem Vater niemals wieder unter die Augen treten können. Die Schande, daß sein Sohn vom Hof des Königs verjagt wurde, hätte er nicht ertragen. Mein Vater war in seine Jugend der Schwertträger des Königs Forn, des Vaters von Rowin, und der Hauptmann seiner Leibgarde. Der größte Wunsch meines Vaters war es da-her, daß auch ich einmal diesen Platz bei Rowin einnehmen würde. Durch meine eigene Schuld habe ich diese Chance verspielt. Aber da ich nun die Ehre habe, Euch zu dienen, kann ich mein Leben Euch weihen und darf es nicht mehr fortwerfen.“
Erschöpft sank er wieder aufs Bett. Große Schweißtropfen liefen von seiner Stirn, und ich nahm ein Taschentuch und trocknete ihm das Gesicht.
„Ist denn die Ehre, mir zu dienen, so groß, daß sie Euch genügt und euren Vater zu-friedenstellt?“ fragte ich erstaunt.
„Herrin, jeder meiner Kameraden würde auf der Stelle meine Strafe auf sich genommen haben für den Vorzug, Euch dienen zu dürfen“, antwortete Narin. „Wußtet Ihr denn nicht, daß Euch und Prinzessin Deina der ganze Hof zu Füßen liegt? Wenn Ihr mir erlaubt, es zu sagen, die Männer führen Streitgespräche darüber, welcher der Damen man lieber dienen würde. Wie beneidete man mich, als ich zu Eurem Schutz abgestellt wurde, sowie man meinen Kameraden Kort um den Dienst bei Prinzessin Deina beneidet.“
Ich war verblüfft. Daß ich das Idol des halben Hofstaates sein sollte, kam mir doch etwas lächerlich vor. Aber dann dachte ich daran, daß diese Leute ja eine ganz andere Mentalität hatten als die Männer meiner Welt. Sie verehrten in mir ja nicht ein-fach nur eine Frau, sondern eine Anschauung. Eine Fürstin und noch dazu die Herzensdame ihres Königs war für sie ein Kleinod, dem man mit Freuden diente und dem man sein Leben zu Füßen legte. Das war Minnedienst, wie bei den Rittern unseres Mittelalters. Nur so und nicht anders war die Sache zu erklären. Ich mußte über mich selbst lächeln. Wie hatte ich – und wenn auch nur für Sekunden – die Sache so verstehen können, als sei die Hälfte der Leibwachen in mich verliebt? Aber ich mußte zugeben, der Gedanke allein hatte mir mächtig geschmeichelt.
Ich lächelte Narin zu. „Nun, so hoffe ich, daß es Euch in meinen Diensten auch weiterhin gefallen wird. König Rowin sendet Euch seinen Gruß und die Versicherung, daß er die Dienste nicht vergessen hat, die Ihr ihm geleistet habt. Doch nun ruht Euch erst einmal aus und schlaft, damit Ihr bald wieder auf den Beinen seid. Morgen werde ich wieder nach Euch sehen.“
Narins Gesicht entspannte sich. „Ich weiß nicht, wie ich Euch Eure Güte je vergelten soll. Mein Leben gehört Euch, verfügt darüber!“
Ich schenkte dem jungen Mann noch ein Lächeln, dann ging ich hinaus. Als ich mich an der Tür noch einmal umwandte, sah ich, daß er mein Taschentuch, das ich vergessen hatte, an die Lippen preßte.
Ich war wirklich glücklich, daß diese böse Sache einen so glimpflichen Ausgang genommen hatte, denn ich war sicher, daß Narin sein Vorhaben, sich selbst zu töten, auch ausgeführt hätte. Nichts stand den Männern von Valamin höher als ihre Ehre, und oft schon hatte ich erlebt, daß eine kleine Kränkung unter Edelleuten zu blutigen Duellen führte. Rowin versuchte zwar, diese Zweikämpfe zu verbieten, da sie ihn schon oft tüchtige Männer gekostet hatten. Aber ganz waren sie selbst in seiner ei-genen Leibwache nicht zu unterbinden. So war es nicht verwunderlich, daß der junge, ein wenig hitzköpfige Narin den Ausschluß aus der Garde nicht verwunden hätte, obwohl seine Ehre als Edelmann dadurch nicht angetastet worden war. Man muss das so verstehen, daß der Stand der Ritter der Garde eine ganz besondere Kaste war, und daß selbst Männer, die aus diesem Kreis ausgeschieden waren, noch hohes Ansehen genossen. Dieser besonderen Ehre war Narin nun verlustig gegangen. Das hatte den jungen Mann zutiefst getroffen, auch um seines Vaters willen, der ein stolzer und harter Mann war und seinen Sohn diesen Ehrverlust wohl deutlich hätte spüren lassen. Da ich als offizielle Geliebte des Königs fast den Stand einer Königin hatte, war jedoch der persönliche Dienst für mich fast einen Ausgleich für das Verlorene,
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