Das Traumtor (German Edition)
mit den Gesandten zu tun, die letztens hier waren, nicht wahr?“ fragte ich, und es war mir, als schnüre mir eine kalte Hand die Kehle zu. „Es gibt Krieg, ist es das?“
„In letzter Konsequenz vielleicht ja“, antwortete Targil, „Wenn Rowin ihn nicht verhindert. Ich werde dir am besten die ganze Geschichte von Anfang an erzählen.“
Und dann berichtete er mir, daß Rowin einige Zeit am Hof von Muran gelebt hatte, bevor sein Vater, König Forn, ihn wieder zurück nach Valamin geholt hatte. In Muran hatte er Ilin, die Tochter des Herrschers, kennengelernt und sich in sie verliebt. Die Hochzeit war schon beschlossene Sache gewesen, als Ilin schwer erkrankte. Da eine Besserung ihres Zustands so bald nicht zu erwarten war, hatte man die Hochzeit um ein Jahr verschoben. Dann hatte es Krieg zwischen Valamin und Kawaria gegeben und nach seiner Beendigung hatte Rowin um weiteren Aufschub gebeten – obwohl Ilin wieder gesund war – da er erst Varnhag wieder aufbauen wollte, um seiner Braut eine Heimat im Schloss seiner Väter bieten zu können. Nun waren die Gesandten aus Muran gekommen, um Rowin an die Einlösung seines Versprechens zu erinnern.
„Der Herrscher von Muran ist schon sehr ungehalten“, schloß Targil, „daß sich das Ganze so lange hinauszögert. Außerdem hat er erfahren, daß an Rowins Seite eine andere Frau lebt. Er hat Rowin ein halbes Jahr Frist gesetzt. Hat er sich bis dahin nicht entschlossen, Ilin zu heiraten, so wird es Krieg geben mit Muran. Denn wenn Rowin die Prinzessin verschmäht, um deren Hand er selbst gebeten hat, ist das eine Beleidigung, die König Geran nicht auf sich sitzen lassen kann. Verstehst du nun, was Rowin so bedrückt? Er liebt Ilin schon lange nicht mehr, denn sein Herz gehört dir, seit er dich sah, und er würde lieber sterben, als dich von seiner Seite zu lassen. Aber er ist nicht nur ein Mann, der liebt, es ist der König dieses Landes und hat die Verantwortung für all die Menschen seines Volkes. Er darf sie nicht in Not und Elend stürzen für sein persönliches Glück. Ach, Athama, ich wünschte, ich wüßte einen Ausweg aus dieser Misere!“
Ich weiß nicht, wie ich beschreiben soll, was ich empfand. Es gibt keine Worte, die das auszudrücken vermögen. Ich wußte nur das eine: Ich würde Rowin verlieren, denn niemals würde er zulassen, daß sein Volk für ihn leiden musste.
„Was kann ich nur tun, Targil? Ich will, ich darf ihn nicht verlieren!“ Hilflos schluchzend sank ich in meinem Sessel zusammen. „Ich liebe ihn doch so sehr!“
Targil kniete vor mir nieder. Sanft faßte er mein Kinn und hob meinen Kopf in die Höhe. „Ich weiß, was du fühlst, Athama“, sagte er weich. „Aber wenn du Rowin liebst, wenn du in wirklich liebst, mußt du ihm die Entscheidung abnehmen! Denn wenn er sich auch für dich entschiede, niemals würde er sich diesen Schritt vergeben, der so vielen Menschen den Tod brächte. Das Beste wäre, du fändest einen Weg zurück in deiner Heimat. Verläßt nämlich du ihn, wird er zwar bis an sein Lebensende um dich trauern, aber er wird tun, was er seinem Volk schuldig ist. Athama, willst du denn, daß erneut das Blut der Menschen die Erde tränkt, die aus deinem Herzen entsprungen sind? Wie leicht könnte auch Rowin im Kampf fallen, und dann hättest du seinen Tod selbst verschuldet. Willst du das, Athama?“
„Nein, nein! Oh, mein Gott! Rowin!“ Mein verzweifeltes Weinen schnitt Targil tief in die Seele, aber er wußte auch, daß er Recht hatte. Doch dann drängte sich ein an-derer Gedanke in meinen Schmerz. Rowin, wie mußte er all die Zeit gelitten haben! Und da wußte ich auf einmal, daß ihr es versuchen mußte. Wenn es für mich einen Weg zurück in meine Welt gab, dann mußte ich diesen Weg gehen, ob ich daran zerbrach oder nicht. Und mit einmal wurde ich ganz ruhig, obwohl der Schmerz in meinem Inneren mir die Seele ausbrannte. Ich hob den Kopf und sah Targil an.
„Was kann ich tun, Targil? Gibt es einen Weg zurück in meine Welt?“
„Es gibt vielleicht eine Möglichkeit“, antwortete Targil, und ich sah, daß er trotz seines Mitleids erleichtert aufatmete. „Ich habe dir nie davon erzählt, denn es fiel mir erst ein, als du nicht mehr fort zu wollen schienst. Bei meinen Reisen durch die Nachbarländer hörte ich von einem Magier, einem weisen Mann, der in Euribia am Meer wohnen soll. Er soll große Macht besitzen. Vielleicht weiß er auch einen Weg, wie du wieder in deine Welt zurück gelangen kannst.
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