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Das Treffen

Das Treffen

Titel: Das Treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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sich nackt und verwundbar zu fühlen, als in dem engen Ding zu ersticken.
    Als sie die Stelle erreicht hatten, an der der Zufluss in den See mündete, waren sie vom anderen Ufer aus weithin sichtbar. Vivian zog sich das Poloshirt wieder über den Kopf. Abilene schlüpfte in ihre Bluse und bereute es sofort – der feuchte Stoff klebte unangenehm an ihrer Haut. Weder Cora noch Finley machten sich die Mühe, sich wieder zu bedecken.
    »Wenn euch jemand sieht!«, warnte Vivian.
    »Ist mir scheißegal«, sagte Finley.
    »Vielleicht verfolgt er uns dann.«
    »Wenn es der Kerl ist, der Helen umgebracht hat, dann soll er ruhig kommen. Dann können wir es hier und jetzt hinter uns bringen.«
    »Wir holen besser erst das Gewehr«, sagte Cora.
    »Zu viert schaffen wir ihn auch ohne Gewehr.«
    Abilene wünschte, sie würden nicht ganz so auffällig herumstehen. Irgendjemand konnte sie wirklich beobachten. Und auf dumme Ideen kommen.
    »Zieht euch an oder geht ins Wasser«, sagte sie.
    »Angsthase.«
    »Es reicht schon, dass wir uns mit Helens Mörder herumschlagen müssen. Gott weiß, wem hier noch bei unserem Anblick das Wasser im Mund zusammenläuft.«
    »Die sollen nur kommen«, sagte Finley.
    Dann folgte sie Cora ins Wasser. Cora schwamm auf die andere Seite, während Finley hinter ihr herwatete und den Schlafsack über den Kopf hielt.
    Vivian sprang hinein.
    Abilene blieb am Ufer stehen und beobachtete das graue, zerklüftete Nordufer. Niemand war zu sehen.
    Die Brise wurde stärker, und es war etwas kühler als im Wald. Obwohl sie den Wind gerne noch länger auf ihrer Haut gespürt hätte, hielt sie sich die Bluse zu und schaute in die Richtung, in der sich Battys Hütte befand.
    Die Hütte selbst konnte sie nicht sehen, aber eine Weide, unter deren Ästen möglicherweise das Boot vor Anker lag.
    Die Weide war gar nicht so weit entfernt.
    Wenn Batty zufällig in ihre Richtung sah, musste sie sie zwangsläufig entdecken.
    »Kommst du jetzt, oder was?«, rief Finley von der anderen Seite des Zuflusses aus.
    Sie und Cora standen bereits am anderen Ufer. Wasser tropfte von ihren glänzenden Körpern. Vivian stieg gerade vor Finleys Füßen aus dem Wasser.
    Abilene sprang. Die Kälte ließ sie nach Luft schnappen. Sie tauchte unter und genoss das angenehm kühle Nass. Dann watete sie zur anderen Seite hinüber, stellte den Plastikkanister ab und kletterte ans Ufer.
    Ihre nassen Füße quietschten in den Turnschuhen, was sie an Helen erinnerte, die vor langer Zeit in eine Toilettenschüssel getreten war. Old Gelbfuß. Sie lächelte. Dann sah sie Helen vor sich auf dem Fliesenboden des Duschraums liegen. Tot. Ihre Eingeweide knoteten sich zusammen.
    Sie liegt in diesem Augenblick im Duschraum. Im Dunkeln. Ganz allein.
    Trotz der Hitze bekam Abilene eine Gänsehaut und rieb sich über Arme und Oberschenkel.
    Es ist nicht mehr Helen, die da im Duschraum liegt, sagte sie sich selbst. Es ist nur ihr Körper. Ihre Seele ist jetzt frei, das zu tun, was Seelen eben so tun.
    Wenn es sie überhaupt gibt.
    Es konnte gar nicht anders sein. Man konnte doch nicht einfach sterben und alles war vorbei …
    Niemals. Abilene hatte schon vor langer Zeit beschlossen, dass der Tod nicht das Ende, sondern Veränderung bedeuten musste. Man ließ seinen Körper zurück, aber etwas blieb. Obwohl sie protestantisch erzogen worden war, hielt sie nicht viel von der Vorstellung von Himmel und Hölle. Die Idee der Wiedergeburt fand sie viel einleuchtender.
    Man blieb immer ein Teil des Universums.
    Vielleicht ging die Seele nach dem Tod auf Wanderschaft.
    Alles war möglich. Sie würde es erst erfahren, wenn ihr letztes Stündlein geschlagen hatte.
    Wenn uns Helen doch von dort eine Nachricht zukommen lassen könnte.
    Wenn das alles vorbei ist, könnten wir ja eine Seance oder so was abhalten. Wenn es uns gelingt, ein richtiges Medium aufzutreiben …
    Batty.
    »Wartet mal«, sagte Abilene. Die anderen blieben stehen. »Mir ist gerade was eingefallen. Anstatt das Scheusal zu überrumpeln, könnten wir es doch fragen, ob es … eine Seance für uns abhält. Versteht ihr? Vielleicht können wir mit Helen Kontakt aufnehmen.«
    »Das ist nicht dein Ernst«, sagte Finley.
    »Einen Versuch wäre es doch wert. Batty ist doch Experte auf diesem Gebiet … Fragen kostet ja nichts.«
    »Ich glaube wirklich nicht …«
    »Ich weiß auch nicht, was ich glauben soll. Aber was, wenn … wir wirklich mit Helen kommunizieren könnten? Ich weiß, das hört sich jetzt

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