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Das Treffen

Das Treffen

Titel: Das Treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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trug.
    Genau Finleys Typ, dachte sie.
    »Wie habt ihr es eigentlich geschafft, in der Lower East Side zu landen?«, fragte er über die Schulter hinweg, damit alle ihn hören konnten.
    »Wir dachten, wir wären in Greenwich Village«, antwortete sie.
    Er lächelte. »Da kommt ihr wahrscheinlich her.«
    »Unsere Kartenleserin hat's vermasselt«, sagte Finley.
    »Dann seid ihr wohl Touristen?«
    Cora lachte.
    »Sieht ganz danach aus«, sagte Vivian.
    »Wo kommt ihr her?«
    Als sie weitergingen, erzählten sie ihm die ganze Geschichte: Wo sie wohnten, dass sie zusammen auf der Universität waren und wie es zu ihrem Ausflug nach New York gekommen war.
    »Wir wollen jedes Jahr so ein Treffen machen«, erklärte Helen. »Dieses Jahr war Vivian an der Reihe. Sie ist Schauspielerin – deshalb New York. Wir waren schon in … wie viel? Fünf Aufführungen. Aber immer Downtown. Nur heute sind wir mal ins Village gefahren. Ich glaube, wir haben die ganze Zeit nichts getan, außer rumzulatschen und Theateraufführungen zu besuchen.«
    Abilene grinste sie an. Normalerweise war Helen Fremden gegenüber nicht so aufgeschlossen.
    »Nächstes Jahr ist Cora dran.«
    »Da landen wir aber bestimmt nicht wieder hier«, verkündete Cora. »Versprochen.«
    »Gefällt euch New York nicht?«, fragte Wayne.
    »Es ist ein Drecksloch.«
    »Jetzt hör aber auf«, protestierte Vivian. »Ich finde es toll!«
    »Ja, wenn man auf Staus und Menschenmengen und das ständige Gehupe und die Presslufthämmer steht. Nicht zu vergessen die Penner und Saufbrüder überall.«
    Als sie die Penner erwähnte, fiel Abilene auf, dass sie den Hauseingang, in dem der Obdachlose gesessen hatte, bereits hinter sich gelassen hatten. Sie hatte es gar nicht bemerkt. So eine Begleitung ist gar nicht schlecht, fand sie. Jetzt, wo Wayne ihnen den Weg zurück zur Zivilisation zeigte, schien auch der Regen nicht mehr so schlimm zu sein.
    »Haben Sie jemals versucht, in der Grand Central Station zu atmen? Die Luft da ist der reinste Smog.«
    »Schlimmer«, fügte Abilene hinzu.
    »Mir gefällt's hier«, sagte Helen. »Ich habe mich noch nicht einen Augenblick gelangweilt.«
    Das ist ja zum Schreien, dachte Abilene.
    Sie musste sich wirklich in diesen Typen verguckt haben.
     
    Als sie die Stufen zur U-Bahn hinuntergingen, schlüpfte Wayne in sein Hemd. Endlich, dachte Abilene. Obwohl sie seine Begleitung sehr geschätzt hatte und ihn für einen netten Kerl hielt, hatte sie es doch verwundert, dass er mit nacktem Oberkörper neben ihnen hermarschiert war. Besonders, weil seine Jeans so enorm tief hingen. Wollte er etwa mit seinem Körper Eindruck auf sie machen?
    Während er sich anzog, beugte sich Finley zu Abilene. »Schade«, flüsterte sie.
    Helen drehte sich auf der Treppe um und warf Finley einen strengen Blick zu.
    Unten angekommen, versammelten sie sich um Wayne. Vivian streckte ihm die Hand hin. »Vielen Dank für alles. Ich weiß gar nicht, was wir ohne Sie getan hätten.«
    Lächelnd ergriff er ihre Hand. »War mir ein Vergnügen. Ich habe ja nicht jeden Abend die Ehre, den Retter in der Not für hübsche Mägdelein zu spielen. Trotzdem glaube ich, ich sollte noch eine Weile bei euch bleiben. In der U-Bahn trifft man oft ziemlich irre Spinner, besonders um diese Uhrzeit.«
    »Wir kommen schon klar«, unterbrach Cora. Abilene konnte an ihrem Blick erkennen, dass sie Wayne nicht über den Weg traute. »Aber nochmals vielen Dank für die Begleitung.«
    »Ich bleibe. Zumindest, bis ihr eure Haltestelle erreicht habt. Nur für den Fall. Mir macht es nichts aus, wirklich.«
    »Das ist nicht nötig«, sagte Cora.
    »Ist doch eine gute Idee«, widersprach Helen und sah die anderen an. »Ihr wisst schon. Man hört immer wieder so schlimme Sachen, die in der U-Bahn passieren. Immerhin ist es schon nach Mitternacht, und … also wenn Wayne noch bei uns bleiben will, habe ich nichts dagegen.«
    »Ich mache mir nur Sorgen um eure Sicherheit.«
    »Aber Sie haben doch schon so viel für uns getan«, protestierte Vivian. »Das können wir nicht von Ihnen verlangen.«
    »Aber ich bestehe darauf. Im Ernst.«
    »Außerdem«, fügte Finley hinzu, »wird er so wenigstens nicht nass. Bei dem Wetter können wir ihn doch nicht wieder da rausschicken.«
    »Ach, der Regen gefällt mir. Was mir jedoch nicht gefällt, ist die Vorstellung, euch alleine nachts mit der U-Bahn fahren zu lassen.«
    »Dann kaufen wir Ihnen aber zumindest die Fahrkarte«, sagte Vivian. Er lachte leise. »Also gut.

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