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Das Treffen

Das Treffen

Titel: Das Treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Nur befreit.«
    »Wenn ihr erst mal eine Maus am Bein hochkrabbelt, denkt sie sicher anders darüber«, sagte Finley.
    »Ihr habt's ja noch nicht mal ausprobiert.« Cora hob die Taschenlampe wieder auf und ging die restlichen Stufen hinauf.
    Helen rannte ihr hinterher, gefolgt von Vivian und Abilene. Finley bildete die Nachhut.
    Im Haus war es jetzt etwas dunkler geworden. Und wärmer. Abilene stieg der süßliche Geruch von verrottendem Holz in die Nase, der ihr vorher nicht aufgefallen war. Vielleicht lag es an den Margaritas; sobald sie getrunken hatte, schien ihr Geruchssinn empfindlicher zu werden. In manchen Situationen war das durchaus angenehm. Aber der Gestank hier störte sie. Genau wie Blumenduft sie manchmal an Beerdigungen erinnerte, gemahnte der Geruch verrottenden Holzes an Alter, Verfall und Zerstörung.
    Das ist nur der Schnaps, sagte sie sich.
    Wenn sie nicht aufpasste, würde sie noch in Depressionen verfallen.
    Oder Angst bekommen.
    Der seltsame Geruch machte sie nicht nur wehmütig, sondern trug auch dazu bei, dass sie im Inneren des Hauses nervöser war als zuvor.
    Die anderen standen im Foyer. Sie sah sich um und erwartete jeden Moment, das Kind – oder jemand anderen – in der Lobby oder in einem der Korridore lauern zu sehen.
    Vielleicht beobachtete der Junge sie auch von der Galerie im ersten Stock, die sich über die gesamte Länge der Lodge erstreckte und mit einem Holzgeländer versehen war. Schon glaubte sie, zwischen den Balken ein Gesicht erkennen zu können.
    Aber da war niemand.
    Cora ging die Treppe hinauf. Die anderen folgten ihr.
    »Vielleicht ist der Junge zurückgekommen, während wir draußen waren«, flüsterte Vivian.
    »Jemand zu Hause?«, rief Finley die Treppe hinauf.
    »Lass das!«
    Helen kicherte.
    Oben angekommen, wandten sie sich nach rechts und gingen den schmalen Balkon entlang. Abilene sah sich das Geländer genauer an. Es war aus lackierten Holzbalken gezimmert worden und wirkte ziemlich schmutzig. Sie vermied es nach Möglichkeit, das Geländer zu berühren, als sie sich darüberbeugte und auf die Stützbalken, die Rezeption, die Lobby und den Kamin hinunterblickte.
    Auf der anderen Seite der Galerie gab es nicht viel zu sehen. Nur drei Türen mit den Nummern 20, 22 und 24. Cora rüttelte an den Klinken. Die Türen waren verschlossen.
    »Man sollte denken, dass jemand inzwischen die Türen aufgebrochen hätte«, sagte sie mit finsterer Miene.
    »›In Wahrheit seltsam! Wundersam!‹«, zitierte Abilene.
    »Vielleicht sind die Vermonter eben keine Vandalen«, schlug Vivian vor.
    »Bei den Totempfählen haben sie jedenfalls ganze Arbeit geleistet«, sagte Abilene. »Vielleicht wissen nur wenige, dass es das Haus überhaupt gibt.«
    »Und die haben Angst davor«, sagte Helen. »Jeder hier in dieser Gegend weiß, was hier passiert ist. Vielleicht glauben die Leute, dass es hier spukt oder so.«
    »Jetzt mach mal einen Punkt«, sagte Cora.
    »Wäre doch möglich. «
    »Der Spanner von vorhin hatte jedenfalls keine Angst«, sagte Vivian.
    »Wären wir in Kalifornien«, sagte Finley, »wäre hier schon längst alles kurz und klein geschlagen worden. Alle Türen wären aufgebrochen, und die Penner hätten sich eingenistet.«
    Cora probierte erneut eine Klinke.
    »Warum versuchst du's nicht mit einer Kreditkarte?«, fragte Finley.
    Helen kicherte.
    »Es gibt nicht mal ein Fenster über der Tür, durch das man durchklettern könnte«, sagte Abilene.
    Cora grinste sie schief an. »Wir könnten sie ja eintreten.«
    »Aber nicht, dass die Geister dann sauer sind.«
    Vivian schüttelte den Kopf. »Wir wollen nichts kaputt machen.«
    »Schauen wir weiter«, sagte Abilene. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Gästezimmer verschlossen sind. Unmöglich.«
    »Finden wir's raus.«
    Sie kehrten zur Treppe zurück. Von dort aus führte ein Korridor zum hinteren Teil des Hauses, der nur von einem kleinen Fenster in einer Tür in der Rückwand beleuchtet wurde. Sonst war alles dunkel.
    Cora schaltete die Taschenlampe an.
    Abilene beobachtete, wie ihr Strahl über Boden und Wände glitt. Der Holzboden schien sauber. Türen waren keine zu erkennen, aber der Korridor zweigte ungefähr in der Mitte zu beiden Seiten ab.
    Das Holz quietschte unter ihren Füßen.
    »Ist dir das jetzt gruselig genug?«, fragte Vivian.
    »Cool«, flüsterte Helen.
    »Krass«, sagte Abilene. Die stickige, abgestandene Luft umhüllte sie wie eine dicke Decke. Schweiß lief ihr über Gesicht und Nacken und

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