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Das Treffen

Das Treffen

Titel: Das Treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Halbmond.
    »Irgendwas mit Mond«, riet Helen. »Ein Silbermond?«
    »Ein Mondkalb?«, fragte Cora.
    »Pieeeeep. Falsch.«
    »Eine Irre«, schlug Finley vor.
    »Jetzt weiß ich's« Vivian schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. »Ich gebe euch ein paar Tipps. Erstens, es ist wirklich sehr weit hergeholt.«
    »Das engt die Sache ja bedeutend ein«, sagte Cora.
    »Zweitens, Abilene macht ihren Abschluss in amerikanischer Literatur.«
    »Ich hab's«, sagte Finley. »Huckleberry Achselhöhle.«
    »Pieeeeep. Falsch«, riefen Vivian und Abilene im Chor.
    »Gebt ihr schon auf?«, fragte Abilene. »Sag's ihnen, Viv.«
    »Sie ist Wassergrube und Pendel, ihr Nulpen.«
    Die Auflösung wurde von Seufzern, Kichern, Schmunzeln und Kopfschütteln begleitet.
    »Von Poe? Da kommt doch keiner drauf.«
    »Na und? Ich find's toll. Und nur das zählt.«
    »Manchmal bist du wirklich komisch«, sagte Helen.
    »Ich? Was sollst du überhaupt darstellen?«
    Helen, die mitten zwischen einem Mechanikeraffen, einem Cheerleader, einer Hexe und »Wassergrube und Pendel« stand, schien sich auf den ersten Blick als Helen verkleidet zu haben. Sie trug Turnschuhe, eine braune Cordhose und eine weiße Bluse und hatte ein zusammengeknülltes weißes Laken gegen den Bauch gepresst.
    »Ein Waschweib?«, fragte Abilene.
    »Wohl kaum.« Helen öffnete das Laken und zog es sich über den Kopf. Abilene bemerkte, dass sie Augen für Löcher und Mund hineingeschnitten hatte.
    »Caspar, das freundliche Gespenst«, sagte Finley.
    »Buhuuuu«, rief Helen und hob die Arme.
    »Und du behauptest, ich wäre komisch.«
    »Aber ich bin immer als Gespenst gegangen«, sagte Helen.
    »Immer?«
    »Jedes Mal zu Halloween. Aber passt auf, es kommt doch was.«
    Sie drückte sich das Laken gegen das Gesicht, um durch die Augenlöcher sehen zu können, und schwebte zum Sofa hinüber, von wo sie ein kurzes Stück Seil aufhob, in das eine Henkersschlinge geknotet war. Sie steckte den Kopf durch die Schlinge und ließ das lose Ende zwischen den Brüsten herunterbaumeln. Das Gewicht der Schlinge hinderte das Laken am Wegflattern.
    »Gar nicht schlecht«, sagte Abilene.
    »Wenigstens brauchst du keine Angst zu haben, überfahren zu werden«, stellte Cora fest.
    »Stimmt«, sagte Abilene. »Nicht der geisterhafteste Hauch einer Chance.«
    »Harhar, gähn«, bemerkte Finley. Sie zog sich die Gorillamaske über und kroch hinter das Sofa, um ihre Videokamera hervorzuholen.
    Sie filmte die anderen dabei, wie sie Taschenlampen und mehrere Plastiktüten mit Süßigkeiten füllten, die, die sie am Tag zuvor gekauft hatten. Dann ging sie rückwärts in den Flur und dokumentierte die seltsame Prozession.
    Sie wandte sich um und ging die Treppe hinunter. Die anderen folgten ihr in die Nacht.
    »›Die Wolken türmten sich mächtig, die Blätter waren verdorrt‹«, rezitierte Abilene, »›sie waren kraus und verdorrt. Es war Oktober und nächtig an einem unseligen Ort.‹«
    »Wie meinen?«, fragte Finley mit gedämpfter Stimme.
    »Ein perfektes Allerheiligen«, sage Abilene. Der Wind in den Baumwipfeln klang wie auf der Autobahn vorbeirauschende Wagen und ließ ihre Schatten auf dem Asphalt erzittern. Blätter taumelten durch die Luft. Der Wind blähte Helens Laken auf, zerrte an Vivians Hexenmantel und hob Coras Faltenrock. Sogar Abilenes Pendel schwang wie wild hin und her. Ein Windstoß fuhr ihr in die nackte Achselhöhle und ließ seine kalte Zunge über ihre linke Brust gleiten. Obwohl sie davon eine Gänsehaut bekam, genoss sie es doch ziemlich.
    Finley blieb an der Ecke stehen. »Wohin?«, fragte sie.
    »Auf jeden Fall nicht zum Campus«, sagte Vivian.
    Die Universität war nur ein paar Straßen entfernt.
    Abilene sah sich um. Die Straße zu ihrer Linken führte in die Stadt. Zur Rechten mündete sie in eine Wohnsiedlung, wo Autos zu beiden Seiten des Bürgersteigs parkten und Lichter auf den Veranden brannten. Die Fenster waren hell erleuchtet, und viele hatten aus Kürbissen geschnitzte Laternen aufgestellt. Sie bemerkte eine Gruppe von Kindern, die die Einfahrt zu einem der Häuser hinuntereilten.
    »Da lang«, sagte Abilene.
    Also wandten sie sich nach rechts.
    Die Kinder kamen auf sie zu. Es waren vier kleine Rotznasen, die in Begleitung zweier Frauen waren. Die Erwachsenen warteten auf dem Gehweg, während die Kinder an den Türen klingelten.
    »Die Mütter halten uns wahrscheinlich für nicht ganz dicht«, sagte Vivian.
    Als sie sich ihnen näherten, kam sich Abilene mit

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