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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonora Christina Skov
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her gehen hören, wenn ich in meinem Bett lag , hatte Nella einmal gesagt, und das glaube ich gern, so dick wie Fräulein Lauritsen gewesen sein musste. Es kam auch oft vor, dass ich sie dort oben mit tiefer, beharrlicher Stimme reden hörte, erzählte Nella bei einer anderen Gelegenheit. Es bestand kein Zweifel, dass sie mit jemandem sprach. Mit den Toten, pflegte meine Mutter zu sagen. Wenn Laurits wieder herunterkam, war Liljenholm zur Ruhe gekommen. Es war plötzlich ganz still.
    Auf einem wackligen Nachttisch entdeckte ich ein paar unscheinbare Fotografien hinter Glas, und auf einer erkannte ich Nella sofort wieder. Die Hälfte ihres Haars wurde von einer großen Schleife zurückgehalten, der Mund war ein leicht gebogener Strich, die Augen weit geöffnet. Plötzlich wurde ihr Klavierspiel noch lauter, und ich fühlte mich auf der Stelle von einer Müdigkeit übermannt, die ich mir nur schwer erklären konnte. Das Einzige, woran ich mich erinnere, ist, dass ich mich mit einer Decke auf das schmale Bett legte. Sie roch schwach nach Lavendel. Alle Laute schienen plötzlich wie aus einer anderen Welt. Es pfiff nicht länger der Wind, sondern etwas Lebendiges, das sich meinem rechten Ohr näherte, und im ersten Moment fühlte es sich weich auf der Haut an. Wie ein Kuscheltier vielleicht. Oder ein Damenpelzmantel. Doch plötzlich spürte ich einen stechenden Schmerz im Ohrläppchen, und die Hand, die ich zum Schlag erhoben hatte, gefror in der Luft. Der Boden öffnete sich vor mir, und überall waren Schatten. Ein großer, gebückter Schatten und eine Menge kleiner, hüpfender Schatten warfen sich kopfüber in das Loch und verschwanden.
    Ich wachte mit einem Satz auf. Der Wind blies jetzt große Schneeflocken gegen die Fensterscheibe und musste das auch schon eine Zeit lang getan haben. Jedenfalls war der Schnee bereits ein gutes Stück die Außenseite des Fensters hinaufgekrochen. Vom Nachttisch aus starrten mich zwei Augen an. Antonias Augen. Sie mochte vierzehn oder achtzehn Jahre alt sein, man konnte es nicht sagen. Das Bild war in der Mitte, wo Lily wohl einmal gewesen war, durchgerissen. Man sah nur noch einen halben Arm, ein wenig von der Schulter und einen Schuh ganz unten rechts, und ich war mir ganz sicher, dass ich die Umgebung schon einmal gesehen hatte. Vor Kurzem.
    Mein Rücken schmerzte, und die Beine fühlten sich steif an, doch sie gehorchten mir, und ich ging den Gang hinunter. Antonia und Lily mussten genau hier gestanden haben, in dem Selbstmordzimmer nahe am Fenster, wo verschiedene vergilbte Bilder in einem zufälligen Muster aufgehängt waren. Auf der zerrissenen Fotografie sah man die Hälfte der Bilder, und unten links erahnte man einen einzelnen Kerzenleuchter und den Umriss eines Fensterrahmens. Das Bild musste spiegelverkehrt sein, ansonsten sah alles gleich aus, bis man näher heranging und den grauweißen Staub wahrnahm, der jetzt auf allem lag. Ich beugte mich vor. Pustete vorsichtig, bis das Motiv in dem mittleren Rahmen klar zu erkennen war. Wenn ich mich nicht sehr irrte, war es ein Jugendbild von Horace und seiner – vermutlich – wahnsinnigen Zwillingsschwester, Hortensia, die eher ängstlich als wahnsinnig aussah. Sie sah ihm ähnlich, oder vielleicht war es auch umgekehrt. Ihr Haar lockte sich um die Ohren, ihres etwas mehr als seins, und ihre Augen standen weit auseinander. So weit, dass einem dieses Detail als Erstes auffiel. Etwas an ihnen kam mir bekannt vor. Ich kam nicht darauf, was es war.
    »Das da rechts ist meine Großmutter Clara.«
    Ich drehte mich ruckartig um, und Nella trat einen Schritt auf mich zu. Ich hätte natürlich bemerken müssen, dass ihr Klavierspiel aufgehört hatte.
    »Du hast mich erschreckt!«
    Sie betrachtete das Bild mit leicht schräggelegtem Kopf, als würde sie sich ihren Teil denken, und das tat ich auch. Clara lächelte uns aus ihrem Rahmen geheimnisvoll an, ihre Locken waren ordentlich frisiert, den Hals umrahmten Spitzen. Ihr Blick war fern, als wäre sie bereits an einem anderen Ort. Mir kam eine der aufsehenerregendsten Thesen von Madame Rosencrantz in den Sinn. Denn wenn man ihren »zuverlässigen Quellen« Glauben schenken durfte, hatten weder Gespenster noch der finanzielle Ruin Horace und Clara in den Tod getrieben, sondern Fräulein Lauritsen, »die nicht ganz so loyale Verwalterin, die um ihres eigenen Vorteils willen alles tat«. Was es ihr gebracht haben sollte, ihre Herrschaft zu töten, ist jedoch fraglich. Wie alles, mit dem

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