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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonora Christina Skov
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sofort besser. Nella ging zum Fenster und zog ruckartig die Gardinen vor.
    »Wie meinst du das?«
    Liljenholm knarrte gefährlich unter uns, einen Augenblick nur. Ich sagte Nella, was ich dachte, nämlich dass ich mich über die Tischplatte wunderte. Fräulein Lauritsen machte nicht gerade den Eindruck einer Frau, die lange Winterabende damit verbracht hatte, zu sticken oder zu klöppeln. Nella schien sich bei dem Gedanken zu amüsieren.
    »Nein, meine Liebe, Laurits hat geschrieben «, sagte sie. »Habe ich dir das nie erzählt? Sie hat jeden Abend Tagebuch geführt, und ich habe oft auf ihrem Bett gesessen und ihr zugesehen. Ich habe es geliebt, ihr zuzusehen. Das hat mich beruhigt.«
    »Dann glaubst du, dass …?«
    Nella schüttelte langsam den Kopf.
    »Nein, ich glaube, dass Laurits die Tagebücher vor ihrem Tod vernichtet hat, falls du das meinst. Das macht man hier so auf Liljenholm. Man vernichtet alles, von dem man meint, dass es den Hausfrieden stört, und wenn es vollbracht ist, hofft man, dass Ruhe einkehrt.«
    »Ruhe?«
    Das Wort entfuhr meinem Mund, bevor ich es verhindern konnte. Nella ging langsam zu ihrem Koffer, hob ihn auf einen Stuhl und öffnete ihn weit. Sie holte ein paar Kleider heraus und strich sie öfter glatt, als es nötig gewesen wäre.
    »Ja, wenn wir Liljenholmer nicht auf Ruhe hoffen würden, wer in aller Welt dann?«
    Sie stopfte das eine Kopfkissen tief in den Kleiderschrank, zog einen Kissenbezug über das andere und legte es auf meinen Platz im Bett. Ich zuckte zusammen. Allzu nah neben meinem Kopf knarrte etwas, und plötzlich war es stockdunkel um uns herum. Nun glauben Sie vielleicht zu wissen, was das zu bedeuten hat, doch glauben Sie mir, Sie wissen es erst, wenn Sie die Dunkelheit auf Liljenholm erlebt haben. Sie kroch mir bis tief in die Seele, durch meine Augen hindurch, so fühlte es sich an. Nellas Atem berührte meine rechte Wange.
    »Ganz ruhig. Der Strom fällt hier oft aus. Er ist gleich wieder da.«
    »Bist du sicher?«
    Sie legte etwas zur Seite und zündete ein Streichholz an. Das Feuer spiegelte sich in ihren Pupillen. Die Flamme bewegte sich durch das Zimmer, bekam einen Docht zu fassen und loderte auf.
    »Hast du keine Angst, Nella?«
    Sie lachte auf eine Weise, von der ich nicht wusste, ob ich sie kannte oder mochte, und im selben Augenblick kehrte das Licht mit einem Klicken zurück. Ich kann mich tatsächlich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal wegen einer derartigen Kleinigkeit so erleichtert gewesen bin. Vielleicht spielten mir meine Augen in diesem Moment einen Streich, denn der Wechsel zwischen Dunkelheit und Licht war allzu plötzlich. Denn Nella sah aus, als wäre sie leichenblass. Nur einen Moment, bis sie sich vorbeugte und mir ungeschickt die Decke zuwarf, sodass ich nur noch Staub sah.

Eine Verwalterin plaudert aus dem Nähkästchen
    Am selben Abend erwachte ich von einem Schrei. Einem deutlichen lang gezogenen Schrei. Zunächst wusste ich nicht, wo ich war. Etwas, das sich wie ein Sack Kartoffeln anfühlte, lag halb auf meinem Gesicht, als hätte jemand versucht, mich zu ersticken, sich im letzten Moment aber eines anderen besonnen. Erst als ich danach stieß, begriff ich, dass es mein eigenes Kopfkissen sein musste. Ich hatte mich in der Decke verheddert, die sich wiederum im Bezug verheddert hatte, und ich schwitzte, obwohl die Temperatur im Zimmer um den Gefrierpunkt liegen musste.
    »Nella?«
    Wo sie hätte liegen müssen, griff ich ins Leere.
    »Nella?«
    Die Decke auf ihrer Seite des Bettes war zurückgeschlagen und der Bezug eiskalt. Irgendetwas fiel zu Boden und ging zu Bruch, als ich nach den Streichhölzern auf dem Nachttisch tastete, doch schließlich hatte ich Erfolg und fand, was ich suchte. Die Flamme flackerte, bevor der Docht richtig brannte. Ich hörte Nella irgendetwas rufen, das ich nicht verstand. Ihre Stimme kam von irgendwo nahe der Treppe.
    Ich schlug den erstbesten Mantel um die Schultern und vermied es mit knapper Not, in die Scherben zu treten. Die Bodenbretter waren wie Eis. Die Kälte kroch in mir hoch, und von dem Gang bis zur Treppe purzelten meine Gedanken übereinander. In der Tür zu Fräulein Lauritsens Zimmer blieb ich stehen.
    »Nella?«
    Sie saß auf dem Boden, Fräulein Lauritsens Decke um sich geschlungen und einen großen Stapel Kladden vor sich. Die gängigen billigen Schreibhefte mit dem schwarzen Umschlag, soweit ich das sehen konnte. Das oberste war in der Mitte aufgeschlagen.
    »Entschuldige, wenn

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