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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonora Christina Skov
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Madame Rosencrantz Seite um Seite füllte, verloren sich die wichtigen Beweise in einem Nebel, dick wie der Nebel um Liljenholm in den frühen Morgenstunden. Einen Augenblick kam es mir vor, als würde mir Clara von ihrem Platz an der Wand aus zublinzeln, doch der Staub in der Luft musste mir einen Streich spielen. Nella trat zu dem Himmelbett. Sie unterbrach meine Gedanken.
    »Ich frage mich oft, wie Antonias und Lilys Verhältnis zueinander wohl gewesen ist«, sagte sie. »Mutter hat oft erwähnt, dass sie alles miteinander geteilt haben, während sie aufgewachsen sind …«
    »Ja, auch das Bett, wie ich sehe.«
    »Ihre Kindheit und Jugend verlief ebenso abgeschieden von der Welt wie meine, sodass sie wohl niemanden hatten als den anderen, mit dem sie alles teilen konnten. Niemand von uns hat mit anderen Kindern gespielt. Ich glaube, ich habe nicht einmal geahnt, dass es außerhalb von Liljenholm überhaupt welche gab. Es war ein riesiger Schock für mich, als ich Liljenholm verließ und feststellte, wie viele Menschen in meinem Alter es gibt. Ich habe geglaubt, anders als alle anderen zu sein, verstehst du?«
    Das Himmelbett hatte tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Käfig, vor allem im Gegensatz zu den dunklen Dielen. Aus den Daunen stoben Staubwolken, als Nella sich setzte. Ich tat es ihr gleich und versuchte, ein Husten zu unterdrücken. Nella schien sich über etwas zu amüsieren.
    »Es ist übrigens nicht ganz so ungewöhnlich, das Bett mit jemandem zu teilen, das müsstest du doch wissen«, sagte sie. Das stimmte. Meine eigene Schwester ist zwar gestorben, bevor ich sie kennenlernen konnte, doch seitdem habe ich mit dem einen oder der anderen das Bett geteilt. Nicht dass meine Verwunderung über Antonias und Lilys übermäßig enges Verhältnis deshalb weniger geworden ist, denn sie dürften absolute Gegensätze gewesen sein, dachte ich. Lily war, soweit bekannt, sehr menschenscheu und überhaupt nicht daran interessiert, im Mittelpunkt zu stehen, nicht annähernd so schön oder erfolgreich oder etwas anderes von Bedeutung, wie ich bereits erwähnt habe (ich kann mich nur zu gut mit ihr identifizieren, deshalb erwähne ich es noch einmal). Sie dürfte ihre Schwester wohl gehasst haben, als ihr die Verteilung der Güter klar geworden ist.
    »Ja, absolut, mit der Zeit hat die Eifersucht sie von innen her aufgefressen«, nickte Nella und griff nach ein paar Kissen, in die sie sich zurückfallen ließ. Ein Teil von mir mochte es nicht, wie gut sie meine Gedanken lesen konnte. Ein anderer Teil wünschte sich, dass sie sie öfter lesen würde, sodass ich mich nicht mehr so alleine mit ihnen fühlte. Als ich mich zurücklehnte, spürte ich eine deutliche Vertiefung in der Matratze.
    »Deine ersten Lebensjahre waren bestimmt nicht leicht«, sagte ich zu Nella. »Mit Antonia und Lily zusammen, meine ich.«
    Der Wind musste an Stärke zugenommen haben, und möglicherweise hatte er auch gedreht. Er trieb die Schneeflocken mit einem leisen, beharrlichen Heulen gegen die Scheiben des Selbstmordzimmers. Nella drehte sich auf die Seite und sah mich an. Zwischen ihren Brauen hatte sich eine tiefe Furche gebildet.
    »Was ist mit deinem Ohr passiert? Das sieht ganz nach einem Biss aus?«
    Wir griffen beide gleichzeitig danach, und ich spürte, was Nella sah. Den Mäusebiss aus meinem Traum. Ich hätte ihr gerne davon erzählt, doch etwas hielt mich zurück. Mein Stolz, wie ich vermute. Ich konnte damit leben, von vielen und vielem gebissen zu werden, doch nicht von behaarten Nagern.
    »Da habe ich mich vor Kurzem geschnitten.«
    Die Furche zwischen Nellas Brauen war tiefer geworden.
    »Ungeachtet dessen, was Mutter den Journalisten erzählte, in meiner Gegenwart hat sie immer schlecht von Lily gesprochen«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wie viele Male sie gesagt hat, dass ich ihr ähnlich bin, sowohl was das Aussehen als auch was das Verhalten angeht. Sie hat mich nicht gemocht. Ich habe nie verstanden, warum.«
    »Ich bin mir sicher, dass sie getan hat, was sie konnte, um dich zu lieben«, versuchte ich, sie zu besänftigen, und ich hätte gerne noch mehr gesagt. Dass eine Mutter ihr Kind nur dann hassen kann, wenn sie zumindest vorgeben kann, alles in ihrer Macht Stehende getan zu haben, es zu lieben. Doch die Worte blieben mir im Hals stecken. Das passierte mir nicht zum ersten Mal.
    »Was hat Fräulein Lauritsen eigentlich in ihrer Kammer gemacht? Da neben der Treppe?«, fragte ich deshalb und fühlte mich

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