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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonora Christina Skov
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ich bin auf dem Weg!«
    Und während Nella von der Halle in das Vorzimmer stolperte, das in der Dunkelheit noch größer wirkte, vermisste sie Fräulein Lauritsen, die immer gewusst hatte, was zu tun war. Zumindest was den Strom anging. In der Regel kam er wieder, wenn sie in den Keller ging und die Sicherungen auswechselte.
    »Wo bleibst du denn?«
    Antonias Worte brachen in der Mitte ab. Beinahe wäre Nella über einen der Teppiche gestolpert, als sie durch das Esszimmer und weiter in die Bibliothek hastete. Sie war völlig außer Atem, als sie das Arbeitszimmer betrat.
    »Was ist dir denn passiert, Kind?«
    Nella kniff die Augen zusammen, doch sie sah nichts bis auf den schwachen Umriss von Antonias Bett.
    »Was meinst du?«
    Die langen, geschwollenen Striemen wuchsen unter Nellas Händen.
    Antonia sagte, dass Nella nur zu gut wisse, was sie meine.
    »Du bist wieder den Gespenstern begegnet, nicht? Denen, die Lily und meine seligen Eltern geholt haben. Langsam holen sie auch dich. Nicht wahr, Nella?«
    An dieser Stelle ist es mir einfach unmöglich zu begreifen, dass Nella sich an Antonias Bettkante setzte und den Kopf auf ihre Bettdecke legte. Direkt auf ihre Rippen, die sich widerwillig hoben und senkten. Nella sagt, dass ich das nicht verstehen könne, weil ich keine Mutter habe, keine richtige. Aber ich tröste mich mit dem Gedanken, dass Antonia das auch nicht verstanden hat, obwohl ihre Mutter Clara gelebt hat, bis sie vierzehn war.
    »Was um Himmels willen machst du da, Nella?«, flüsterte sie mit ihrer merkwürdigen, brechenden Stimme, doch Nella ließ sich nicht stören. Auch nicht durch Antonias endloses Ringen nach Atem.
    »Ich bin nur bis zur Speichertreppe gekommen«, sagte sie zu Antonias Rippen, die sich an ihrer Wange wie die Zacken eines Rechens anfühlten.
    »Bist du das?«
    Die Decke roch so stark nach Antonias Parfüm, dass Nella ganz schwindelig wurde. Sie spürte etwas in ihrem Haar. Als hätte jemand etwas darin verloren. Es war Antonias Hand.
    »Das ist gut, Nella«, murmelte sie. »Du sollst dich von den Turmzimmern fernhalten, das weißt du doch. Sonst werden die Gespenster letztlich auch dich bestrafen.«
    Jedes einzelne Wort schien sie jetzt zu ermüden. Nella erhob sich. Die Streichholzschachtel lag noch immer auf der Fensterbank. Vielleicht war es nur der Schein der Flammen, der Antonias Augen leuchten ließ. Einer ihrer Mundwinkel verzog sich leicht nach oben.
    »Du siehst furchtbar aus«, stellte Antonia fest, bevor Nella die Unterarme mit den Ärmeln bedecken konnte. Nella beeilte sich, ein paar Kerzen anzuzünden. Hinter ihr hustete Antonia.
    »Du und ich, wir sind ein schönes Paar«, fuhr sie fort. Nella hielt mitten in der Bewegung inne, nur für einen Augenblick. Es war der Ton, der sie überraschte. Eine Sanftheit, die ihr vorher nie aufgefallen war. Schnell trocknete sie sich das Gesicht mit dem Taschentuch ab, das die Frau aus dem Zug ihr gegeben hatte, versuchte ihr Haar zu ordnen, das in alle Richtungen abstand.
    »Da oben waren Stimmen. Sie haben nach Simon gerufen, Mutter. Warum?«
    Nella sprach zu den Büchern im Regal, die Seite an Seite vor ihr standen. Ihre Hand griff nach einem wohlbekannten Buchrücken, schwarz mit Golddruck. Die Königin der Gespenster hatte absolut nichts in Antonias Regal zu suchen, und doch hielt Nella eine Erstausgabe in der Hand. Signiert von Madame Rosencrantz mit herzlichem Dank. Und ihr Dank hatte noch weniger hier zu suchen, herzlich oder nicht.
    »Die Gespenster werden nicht viel davon haben, nach Simon zu rufen«, hörte sie Antonia sagen. »Ich habe ihn für immer verschwinden lassen. Darüber solltest du froh sein, Nella.«
    Das Buch fiel mit einem harten, knisternden Laut auf den Boden.
    »Was sagst du da, Mutter? Was sagst du da?«
    Doch Antonias Augen waren bereits zugefallen. Sie atmete mühsam. Nella hatte den Eindruck, dass es mehrere Minuten dauerte, bevor sie wieder Luft holte.
    »Simon war ein durchtriebener Teufel«, murmelte sie nach mehreren Anläufen. »Ich habe ihn immer gehasst. Er hat mir meine Schwester genommen. Er …«
    Nella musste sich an Antonias Bettkante gesetzt haben, ohne dass ihr das bewusst geworden war. Die Welt drehte sich vor ihr in einer Geschwindigkeit, die Antonias Worte völlig verzerrte. Ihr Atem war Nella allzu nah, warme Stöße auf ihrer Wange. Sie wich zurück.
    »Du weißt nicht, was du sagst«, rief sie, doch als sie die Worte aussprach, war sie sich nicht mehr so sicher. Irgendetwas Hartes

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