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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonora Christina Skov
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nachgiebig und biegsam sein, nicht steif mit unbeweglichen Zehen, die gegen die Türschwellen stoßen und die Bodenvasen umwerfen. Eine dickbauchige Vase rollte über die handgeknüpften Teppiche im Esszimmer und stieß mit einem klirrenden, unnötigen Geräusch gegen die Beine des Esstischs. Das Kind Nella hätte über sich als Erwachsene wohl selbst den Kopf geschüttelt, hätte es das gesehen. Jetzt stellte die erwachsene Nella sich versuchsweise auf die Zehenspitzen, kreiste mit den Knöcheln, bis sie nicht mehr knackten, und suchte anschließend mit den Füßen die Bodenbretter vor sich ab. Wenn sie nur niemand hörte, war sie so gut wie nicht da, und wenn sie so gut wie nicht da war, bestand kein Grund, Angst zu haben.
    Sie musste sich das Tausende Male gesagt haben, wenn sie von Antonias Arbeitszimmer zu ihrem Schlafzimmer in der ersten Etage geschlichen war, und es wirkte noch immer. Die Treppenstufen waren wie eine Familie. Sie wusste genau, auf welche sie treten konnte und welche lauthals protestieren würden. Und in der Kammer links, wo die Treppe aufhörte und der Gang mit den von ihm abgehenden Zimmern begann, sah sie … Ja, ich gebe zu, dass das unglaublich klingt. Ich habe selbst meine Zweifel gehabt, doch Nella erzählt so lebendig davon, dass ich geneigt bin, ihr zu glauben. Sie sah einen großen, runden Schatten, den sie kannte. Gebeugt über den allzu kleinen Schreibtisch, der im sparsamen Licht der schwermütigen Tischlampe noch kleiner erschien als sonst. Der Schatten wuchs, als Nella vorsichtig die Tür aufstieß, und es war nicht nur ein Schatten. An dem Schreibtisch saß Fräulein Lauritsen in ihrem schönsten grauen Kleid, und ihr Stift eilte über die Linien in einem Heft, das Ähnlichkeit mit einem Notizbuch hatte. Klein und mit einem roten Umschlag. Nella erinnert sich weder, es vorher noch seitdem gesehen zu haben.
    »Laurits, bist du das?«
    Es konnte unmöglich jemand anderer sein, und trotzdem blätterte die vornübergebeugte Gestalt nur die Seite um und schrieb weiter, noch schneller als zuvor. Nellas Füße traten näher heran. Ihre Hand war durchsichtig. Sie griff nach dem groben Kleiderstoff, der leicht nach Lavendel roch.
    »Laurits?«
    Später hat Nella vieles versucht, um diese Erscheinung zu vergessen (und ich selbst würde auch gerne vergessen, dass ich dort drinnen eingeschlafen bin!). Nella zufolge war Fräulein Lauritsens Mund das absolut Schlimmste. Ihr großer, missgestalteter Mund. Die Lippen waren bis über das Zahnfleisch zurückgeglitten, und die Zähne fehlten. Doch ihre Augen sahen aus wie immer. Die hellen Wimpern leuchteten.
    »Verschwinde von hier, so schnell du kannst, kleine Nella«, flüsterte sie, und ihr Hals und ihre Unterarme waren mit dicken, nässenden Geschwüren und offenen Wunden übersät. Sie leuchteten in jedem erdenklichen Rot- und Blauton. Nella musste an sich halten, um sie nicht anzustarren.
    »Wenn du dich beeilst, passiert dir nichts, das verspreche ich dir«, fuhr Fräulein Lauritsen fort, und das große Loch in ihrem Gesicht wurde noch größer.
    »Wenn du gehst, zünde alles mit einem Streichholz an, Nella-Mädchen, Liljenholm soll in Flammen aufgehen, das hätte es schon lange tun sollen. Da ist so viel, das ich hätte anders machen sollen, und so viel, für das es jetzt zu spät ist. Es ist nichts mehr zu retten, hörst du, was ich sage?«
    Ihr Atem roch so verfault, dass Nella das Gesicht abwenden musste Ihre Wangen waren plötzlich nass. Sie blinzelte. Tatsächlich, es waren ihre eigenen Augen, aus denen die Tränen kamen. Am liebsten hätte sie sich entschuldigt. Ungeachtet, wie Fräulein Lauritsen aussah, wollte sie nicht das Gesicht von ihr abwenden.
    »Ich will nicht gehen, Laurits. Ich bin doch gerade erst gekommen, ich …«
    Fräulein Lauritsen drehte Nellas Gesicht ihrem eigenen zu. Ihre Hand war eiskalt.
    »Du musst tun, was ich sage, Nella-Mädchen. Hörst du? Streichhölzer liegen dort drüben. Es ist hier zu gefährlich für dich. Du weißt, dass ich für dich nur das Beste auf der Welt will.«
    Ich will überhaupt nicht daran denken, was alles hätte passieren können, hätte dieses Gespräch noch länger gedauert. Doch es wurde zum Glück von einem beharrlichen Klingeln unterbrochen, das Nella zusammenzucken ließ. Sie rieb sich die Augen. Doch das änderte nichts daran, dass sie sich wieder in Antonias Arbeitszimmer befand, wo sie in dem Ohrensessel halb lag, halb saß. Direkt über ihr hing, wie ein leuchtender Mond,

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