Das ueberirdische Licht - Rueckkehr nach New York
besprachen, und dann standen plötzlich irgendwann riesige Kerle in der Wohnung herum und erkundigten sich interessiert nach meiner Arbeit und meinen Reisen, oder wir besprachen die Weltpolitik oder die unseres Straßburger »Schtetls«. Und noch immer sehe ich ihre niedlichen Kindergesichter, dabei sind sie jetzt die frenchies in New York und werden wohl auch hier setteln , auch wenn sie ein bißchen unter sich bleiben, so ist das hier mit den communities.
Jedenfalls zieht Ruben nun mit ihnen durch die Stadt. Einmal sind sie auch nach Williamsburg zu den Chassiden hinausgefahren, wo alles auf jiddisch geschrieben ist und alle jiddisch reden, aber sie hätten sich dort völlig fremd gefühlt, erzählt Ruben, und ihre Kippas abgenommen, um lieber für Gojim als für »andersartige« Juden gehalten zu werden.
Abends kommt er natürlich sehr spät, wenn ich schon lange im Bett liege, nach Hause, aber einschlafen kann icherst, wenn sich der Schlüssel im Schloß dreht und ich die vertrauten Geräusche höre, die niemals verabredeten Zeichen, plumps, bums – ein Schuh fällt, plumps, bums – der zweite Schuh fällt, Kühlschranktür, Klospülung, Zimmertür zu.
Ruben bringt Nachrichten von Atze mit, die nicht gut sind. Atze ist unserer Katze und schon 16 Jahre alt. Sie bewegt sich nur noch ganz schwerfällig, den Sprung auf den Tisch schafft sie schon lange nicht mehr, aber nun muß er sie sogar aufs Bett heben, berichtet er. Ich habe ein schrecklich schlechtes Gewissen, ich kann sie ja nicht einmal anrufen, um ihr zu sagen, daß ich viel an sie denke und daß ich bald wiederkomme, daß alles gut werden wird. Leider wissen wir, daß das nicht stimmt, und ich nehme an, auch die Katze weiß es, denn schon seit einer Weile zieht sie sich den ganzen Tag unters Bett zurück und starrt vor sich hin, und wenn sie sich doch mal zum Freßnapf aufrafft, verfehlt sie den Weg und bumst gegen die Wand, weil sie vom Flur zu früh in Richtung Küche abbiegt. Offensichtlich kann sie nicht mehr richtig sehen oder ist verwirrt im Kopf, oder beides.
Ich schlage Ruben deshalb einen Spaziergang zum Pet’s Kaufhaus am Union Square vor. Dort suchen wir lange ein schönes Geschenk für Atze aus, das er ihr mitbringen soll, mit dem wir uns in Wirklichkeit aber über ihren nahen Tod trösten wollen.
Auf dem Union Square ist gerade Markt, eigentlich ein ganz normaler Bauernmarkt, wie man ihn nicht unbedingt mitten in Manhattan vermuten würde, aber wir sind hier halt im »Dorf«. Das Gemüse ist wie alles hier größer und dicker und in riesigen Mengen ausgebreitet, Riesenzwiebeln, Riesenkartoffeln, Riesentomaten und Riesenrettiche, und an einem Stand gibt es Katzengras und zwar nichts anderes, nur Katzengras, und nicht wie auf unserem Straßburger Markt in kleinen Töpfchen, die neben dem Obst und Gemüse mitverkauft werden, sondern in allen Größen und Ausmaßen, von Töpfchen und Topf bis Bekken und Wanne voll. Um den Stand herum ist eine Art Walk of Fame installiert, der die verschiedensten Katzen, alle mit Namen versehen, Kitty und Baby und Pussy, auf Fotos vor, in, neben und auf den Töpfen und Wannen zeigt, das grüne Zeug betrachtend, es futternd, sich darin versteckend oder glücklich schlafend. Wir bleiben lange davor stehen und schauen uns alle Pussies und Kitties ganz genau an, aber dann kaufen wir am Stand gegenüber eine Tüte süße Kartoffeln für unseren Lunch.
Eine Chanukkea haben wir in meiner Residenz natürlich nicht, die improvisieren wir halt. Ich klebe die Kerzen, jeden Tag eine mehr, einfach mit Wachs auf einen großen Teller, bunte Kerzen, die ich unten im Supermarkt gleich im abgezählten 44er Chanukkeah Candle Pack gekaufthabe, so daß sie bis zum letzten Tag reichen. Wenn wir zu Hause in Straßburg die Kerzen auf unserer Chanukkea anzünden, guckt mich Peter jedes Jahr wieder verzweifelt an, weil er sich nicht mehr erinnern kann, in welcher Reihenfolge sie aufgesteckt und angezündet werden. Obwohl es darüber im Talmud, wie immer, reichlich Diskussionen gibt und manche Kommentatoren meinen, es reiche überhaupt, eine einzige Kerze anzuzünden, hat sich seit etwa tausend Jahren die Regel nach Hillel durchgesetzt: von rechts aufstecken, von links anzünden. Aber Peter kann sich das einfach nicht merken, und ich muß ihn jedes Jahr neu belehren, denn merkwürdigerweise, wenn ich einmal etwas vom halachischen Regelwerk gelernt oder auch nur aufgeschnappt habe, kann ich es beim besten Willen nicht mehr
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