Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das ueberirdische Licht - Rueckkehr nach New York

Das ueberirdische Licht - Rueckkehr nach New York

Titel: Das ueberirdische Licht - Rueckkehr nach New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Honigmann
Vom Netzwerk:
einen herb tea mit Zimtgeschmack reicht und dazu einen Chanukkapfannkuchen, erzählt mir aber von seinen Gedichten, und ich muß ihm gestehen, daß ich noch nie in meinem Leben ein Gedicht geschrieben habe, obwohl mich die verrückte Nudel ja als writer vorgestellt hat. Also trage ich ihm meine kleine Theorie über das Dreiecksverhältnis von Poesie, Prosa und Drama vor: daß nämlich die meistenSchriftsteller immer nur in zwei der drei Gattungen ihren Ausdruck finden und so gut wie nie in allen dreien. Goethe ist die Ausnahme, der dazu ja auch noch gezeichnet und geforscht hat. Mein Nachbar stimmt mir zu, das gelte für amerikanische Autoren auch. Wir diskutieren weiter über die Verschiedenheit der Gattungen und tauschen Namen von Autoren und Titel von Büchern aus, und als ich dann, in meiner vielleicht etwas zu deutschen Art, direkter nach seinem Leben frage, stellt sich heraus, daß er sich zwar als Dichter und Literat versteht, im Hauptberuf aber ein Heim für Behinderte leitet, und es ist deutlich, er möchte viel lieber wieder über Gedichte reden. Wir sind hier eben im Village. Wir sind alle Künstler. Gerade jetzt, wo die Boutiquen kommen oder schon da sind. Und der Besitzer deines Lofts dir ein Vermögen bietet, mit dem du dir ein hübsches Häuschen in New Jersey kaufen könntest, damit du ausziehst. Du ziehst aber nicht aus, weil du ja im Village wohnen bleiben möchtest und ein Mieterschutzgesetz auf deiner Seite hast, über das sich der Landlord nur grün und blau ärgern kann.
    Ein anderer Mann in der Runde fällt mir auf, weil er die ganze Zeit nur nett lächelt, aber nie etwas sagt. Sein Pullover ist bunt, und alles, was er sonst anhat, noch ausgebeulter als üblich, er sieht geradezu ein bißchen schäbig aus, doch daraus läßt sich hier noch lange nicht ableiten, ob es sich nun um einen marginalen Looser oder einenetablierten Künstler oder Professor handelt. Und dabei halten sie in New York sogar noch auf einen gewissen Chic, von dem an der Westküste dann ganz und gar nichts mehr übrig bleibt. Dort kannst du in der hochmodernen und immer pünktlichen U-Bahn namens Bay Area Rapid Transit den Penner buchstäblich nicht vom Millionär unterscheiden. Ich glaube, der Anblick so ungepflegter, ihr Äußeres völlig vernachlässigender, aber ansonsten gut etablierter Menschen hat mich genauso schockiert wie »Mutti« damals in Breslau der Anblick meines Vaters, als er aus ihrem Zahnputzglas trank.
    Beim Abschied erfahren wir von meiner neuen Freundin dann, daß der schweigsame Typ mit dem schäbigen Aussehen ein äußerst erfolgreicher Maler ist, mehrere Immobilien besitzt und das offizielle Porträt von Clinton fürs Weiße Haus gemalt hat. Uns bleibt die Spucke weg, denn es hätte nicht viel gefehlt und wir hätten ihm, natürlich anonym, eine kleine Spende hinterlassen.

The Writers’ Room
    Mit der »verrückten Nudel« treffe ich mich nun öfters. Sie heißt Rivka und ist eigentlich Europäerin, ihr Vater war vor dem Krieg Rabbiner in Wien, später in England. Wir haben uns also viel zu erzählen, und sie schenkt mir ihr Buch The Lamp of God. A Jewish Book of Light .
    Zum Schreiben geht sie an einen Ort, der The Writers’ Room heißt und den ich in ihrer Begleitung besichtigen darf, wenn auch auf Zehenspitzen. Dort hat sie ihre Lamp of God verfaßt, aber auch andere Schriften, zum Beispiel über C.G. Jung. Der Writers’ Room liegt im zwölften Stock eines großen Buildings Broadway, Ecke 8th Street und wird hauptsächlich von den Kultur-Departments der Stadt und des Staates New York sowie einem »National Endowment of the Arts« finanziert . Die Einrichtung nennt sich auch An Urban Writers’ Colony , ist also eine Art Worpswede in einem New Yorker Loft, der sehr intelligent mit lauter gegeneinander verschränkten Büro- Ecken, sie sehen auch ein bißchen wie Marktstände aus, zum Schreibort hergerichtet ist.
    Da sitzen lauter Writers und können ganz in Ruhe an ihrem Laptop oder in ihre Kladde schreiben oder in die Luft gucken und nachdenken, jedenfalls herrscht eine kreative Atmosphäre, das merkt man gleich, wenn man zur Tür hereinkommt. Jeder hat eine Art Nest, in das ersich zum Ausbrüten seiner Werke einnisten kann, wenn er einen nicht sehr hohen Jahres- oder Halbjahresbeitrag als Member der Colony zahlt. In einem anderen Raum stehen Sessel und Sofas, in denen man kreativ herumhängen oder lesen und diskutieren kann, und eine Bibliothek, in der kein wichtiges Wörterbuch,

Weitere Kostenlose Bücher