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Das unanständige Foto

Das unanständige Foto

Titel: Das unanständige Foto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mittelgewichtsmeister im Boxen.
    Dr. Lallikow erfuhr von Marfa Felixowna, seiner unentbehrlichen Sprechstundenhilfe, daß Galina gekommen sei, aber noch neunzehn Patienten vor ihr an der Reihe wären.
    »Wir ziehen sie vor«, entschied Lallikow. »Sie steht im Arbeitseinsatz und muß sofort zurück ins Magazin. So gesehen, ist sie ein Notfall. Führen Sie die Genossin nebenan in die Kabine, sie soll sich schon entkleiden.«
    Dr. Lallikow hörte noch das schwache Herz von Mütterchen Jewgenija ab, einer Dreiundachtzigjährigen, die geschworen hatte, 150 Jahre alt zu werden, weil sie ihre Schwiegertochter haßte und diese dann überlebt hätte. Dann begab er sich hinüber in die gynäkologische Kabine. Dort saß Galina ausgezogen auf einem Hocker und zwitscherte fröhlich mit Marfa Felixowna. Die starke Glühlampe beleuchtete ihren wirklich schönen Körper, und Dr. Lallikow sagte sich, daß Schultern, Brust und Leib, Hüften und Schenkel sehr gut mit denen auf den Fotos übereinstimmten. Nur etwas störte bei diesem Vergleich. Dr. Lallikow zog die Augenbrauen mißbilligend zusammen.
    »Ich habe gesagt ausziehen, Galina Iwanowna, auch das Höschen. Das Lebensmittelgesetz schreibt vor, daß …«
    Marfa Felixowna ging hinaus. Das war sonst nicht üblich, gerade bei solchen Untersuchungen mußte eine Zeugin in der Nähe sein, denn zuviel war schon von tollen Weibern behauptet und sogar beschworen worden und hatte so manchen Arzt in Schwierigkeiten gebracht. Dr. Lallikow war bisher zwar davon verschont geblieben, und es war auch undenkbar, daß ein Weibchen ihn unlauterer Griffe hätte beschuldigen können. Seine Grobheit war so groß, daß jegliche Gedanken an solche Verfehlungen sofort abstarben.
    Galina Iwanowna blieb sitzen und war sehr verlegen. »Genügt das nicht?« fragte sie mit umwerfendem Charme.
    »Nein.« Dr. Lallikow rückte an seiner starken Brille. »Bei einer Untersuchung gibt es Unwichtiges, Wichtiges und sehr Wichtiges. Der Arzt allein kann das beurteilen. Dafür ist er ja Arzt. Du bist dabei, sehr Wichtiges der ärztlichen Beurteilung zu entziehen. Das ist fast ein asoziales Verhalten. Du stehst im öffentlichen Leben. Gesundheit ist ein Fundament unseres Fortschritts. Also …«
    »Ich bitte um Verzeihung, Genosse Doktor«, sagte Galina Iwanowna leise. »Aber ich schäme mich.«
    »Vor deinem Arzt? Seit wann denn?«
    »Seit neunzehn Tagen.«
    Dr. Lallikow starrte die schüchterne Schönheit verblüfft an, zog einen Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber. »Das mußt du mir erzählen«, sagte er väterlich. »Hat dich vor neunzehn Tagen etwas verändert?«
    »Ja.«
    »Körperlich?«
    Galina Iwanowna nickte schüchtern. »Ja.« Das war wie ein Hauch.
    »Auch seelisch?«
    »Vielleicht.«
    »Öffne dein Herz«, sagte Dr. Lallikow gütig. Er merkte gar nicht, daß er damit in das Revier des Popen geriet.
    »Mein Verlobter kam von einem Boxkampf aus Swerdlowsk zurück …«
    »Meister Lagatin?«
    »Ja.« Galina schluckte krampfhaft. »Und er brachte eine Zeitschrift mit. Aus dem dekadenten Westen. Aus Paris. Völlig dekadent, Genosse Doktor. Unmöglich, diese Fotos. Aber irgendwie interessant.«
    »Ha!« Dr. Lallikow spürte, wie sich der große Kreis rundete. Seine Brillengläser beschlugen wieder, er nahm sie von der Nase und putzte sie mit Hilfe des Zipfels seines weißen Arztkittels. »Und was geschah weiter?«
    »Ich schäme mich so …«
    »Vor deinem Arzt, Galina Iwanowna?«
    »Lagatin sagte: ›Das solltest du auch mal machen.‹« Galina bedeckte mit beiden Händen ihr Gesicht. Sie schämte sich wirklich in Grund und Boden. »Da habe ich es gemacht.«
    »Aha«, sagte Dr. Lallikow.
    »Lagatin fand es sehr schön. Ich gar nicht. Ich bin keine aus dem dekadenten Westen. Aber Lagatin sagte: ›Ganz still, es weiß ja keiner. Das ist unser Geheimnis. Es kommt ja wieder …‹«
    »Na ja.« Dr. Lallikow räusperte sich. »Ich habe Verständnis dafür – das vorweg! Die forschende Jugend. Der Reiz des Neulandes. Beruhige dich, Galina Iwanowna, es bleibt ja unter uns.«
    »Jetzt ziehe ich mich aus«, sagte sie und erhob sich vom Hocker.
    Dr. Lallikow winkte großzügig ab.
    »Nicht mehr nötig. Die Anamnese war überzeugend.«
    »Ist das der Name dafür?«
    Dr. Lallikow räusperte sich erneut, erhob sich auch und stieß die Tür zur Kabine auf. Marfa Felixowna saß hinter dem Schreibtisch und füllte eine Karteikarte aus.
    »Die Genossin Galina ist gesund«, erklärte Dr. Lallikow herrisch wie immer.

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