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Das unendliche Blau

Das unendliche Blau

Titel: Das unendliche Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Hohberg
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danke, ich hatte vorhin schon.«
    Ornella grinst. »Sie sind in Italien …«, sie sieht auf das Formular, »… Martha. Da trinkt man rund um die Uhr Kaffee.«
     
    Drei Minuten später geht die Tür auf. Martha sieht hoch. Sieht diese dünne Frau, die wie damals in Triest Jeans und dunkles T-Shirt trägt. Die langen Haare hat sie im Nacken lose zusammengebunden, was ihr Gesicht noch schmaler wirken lässt. Die braunen Augen lachen, der Mund lächelt. »Ciao.« Sie nimmt Marthas Hand und hält sie für einen Moment fest. Ihr Händedruck ist fest. »Schön, dich zu sehen.«
    Martha nickt.
    »Wie ich sehe, hast du ja bereits schwerwiegende Entscheidungen getroffen …« Sie zeigt auf das ausgefüllte Formular.
    »Ein Monat.« Ornella nimmt das Blatt Papier und steht auf. »Ich lass euch zwei mal allein.«
    Francesca zieht sich einen Stuhl heran und setzt sich neben Martha. »Soll ich ehrlich sein?«, fragt sie.
    »Nur zu.«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass du hier mal auftauchst. Und dann noch so spontan …«
    »Hätte ich auch nicht.« Sie schluckt gegen die Tränen an, die plötzlich hochdrängen.
    Francesca nimmt wieder Marthas Hand. »Was ist los?«
    Drei Worte. Drei Worte und ein Fragezeichen dahinter. Und wieder ist es da, dieses Triester Gefühl. Als würde da irgendein geheimer Schleusenwärter seinen Job verdammt ernst nehmen und mit einem beherzten Ruck seit langem eingerostete Hebel betätigen, um damit alles dem großen Fluss preiszugeben.
    »Ich bin krank.« Ebenfalls drei Worte. Martha merkt, dass sie bereits weint, während sie diese Worte in den Raum stellt.
    »Wie krank?«
    »Ziemlich krank. Na ja …« Sie räuspert sich. »… mir bleiben noch ein paar Monate.«
    Francesca öffnet den Mund und schließt ihn gleich wieder. »Was ist es für eine Krankheit?«, fragt sie schließlich.
    »Krebs. Ein Melanom, das nun Metastasen gestreut hat. Überall. Tja, es gibt kaum einen Fleck in meinem Körper, der verschont geblieben ist. Das Ding hat ganze Arbeit geleistet, könnte man sagen.«
    »Seit wann weißt du es?«
    »Ach, das mit dem Hautkrebs geht schon länger. Damals haben sie viel herausgeschnitten und mir noch so was wie Hoffnung gemacht. Aber letzte Woche …« Sie sucht in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch und findet keins. Francesca sieht auf Ornellas Schreibtisch eine Packung Kleenex, zieht drei heraus und reicht sie Martha.
    Die schneuzt kräftig hinein, bevor sie weiterredet. »Letzte Woche habe ich den neuen Befund bekommen. Mein Todesurteil.«
    »Kann man nichts mehr tun? Ich meine, Operationen oder irgendwelche Therapien?«
    »Klar, sie haben mir Chemo vorgeschlagen, aber …«, sie zögert, »… ich will nicht den spärlichen Rest meines Lebens in irgendwelchen Krankenhäusern am Tropf verbringen.«
    »Um ein paar Wochen Halbherzigkeit herauszuholen. Ich verstehe.«
    Martha sieht sie dankbar an, während sie die Kleenex in ihrer Hand zusammenknüllt. »Ich hab vorgestern noch meinen Geburtstag gefeiert«, erklärt sie. »Und dann hab ich Hals über Kopf das Fest verlassen, mich in mein Auto gesetzt und bin einfach losgefahren. Ich habe keinen Plan, Francesca, ich war noch nie so orientierungslos. Ich weiß nur, dass es mir, seit ich hier bin, wieder bessergeht, dass ich für Momente vergessen kann, dass ich Italienisch lernen und in dieser Stadt bleiben will und dass … ach, was weiß ich.«
    »Hey, Martha, du hast so was wie die letzte Reiseetappe vor dir. Da brauchst du keinen Fahrplan mehr.«
    Martha blickt kurz aus dem Fenster, als könnte sie da draußen etwas Himmel erwischen. Aber sie sieht nur auf eine alte Hauswand, deren Rotbraun von einer Sonne aus dem Off angestrahlt wird. »Vielleicht bin ich deshalb hierhergekommen«, sagt sie leise. »Zu dir.«
    Francesca nickt. »Wir werden eine Wohnung für dich finden müssen«, wechselt sie das Thema. Sie überlegt. »Eine Freundin von Michele ist vor paar Tagen nach Vancouver geflogen, weil sie dort irgendein Forschungsobjekt … egal, ihr Appartement steht leer, glaube ich. Sie wollte es nicht an fremde Leute vermieten, aber wenn wir ihr sagen, dass ich dich gut kenne, dürfte das kein Problem sein. Am besten, ich ruf Michele nachher gleich mal an.«
    »Ist das Appartement hübsch?«
    »Es ist klein, es liegt mitten in der Stadt, und es ist bezahlbar. Nichts Besonderes, aber immerhin mit einem Balkon, von dem man auf die Dächer schauen kann.« Sie steht auf. »Hast du schon Pläne fürs Mittagessen?«
    Martha

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