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Das unendliche Blau

Das unendliche Blau

Titel: Das unendliche Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Hohberg
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Frau.«
    »Wie meinst du das?« Sie sieht aus dem Fenster, obwohl es da draußen eigentlich nichts zu sehen gibt. Als wollten ihre Augen aus diesem Raum flüchten.
    »Na ja, die meisten Frauen haben irgendwann zumindest mal den nach unten sehenden Hund ausprobiert. Jede Sekretärin macht heutzutage Yoga.«
    »Ich bin keine Sekretärin.« Sie beißt sich auf die Unterlippe.
    »Ich weiß, ich weiß. Francesca hat mir erzählt, dass du als Journalistin arbeitest.«
    »Was hat sie dir denn noch alles erzählt?« Ihr Tonfall gerät schärfer, als sie beabsichtigt hat.
    »Keine Angst. Meine Schwester achtet darauf, was sie sagt.«
    »Entschuldige. Ich wollte nicht …« Sie sieht auf ihre Hände, die nun dankbar mit der Kaffeetasse beschäftigt sind.
    »Wann bist du in Bologna angekommen?«, wechselt er das Thema.
    »Gestern. Gestern gegen späten Nachmittag.«
    »Bleibst du länger?«
    »Ich weiß nicht … wahrscheinlich … ja …« Sie stockt. Was soll sie auch sagen? Dass sie keinen Plan hat für das, was ihr noch an Zukunft bleibt?
    Er sieht sie an, holt sich ihren Blick, der sich zunächst widersetzt, mit Beharrlichkeit ab.
    Sie rutscht auf ihrem Stuhl nach vorn.
    »Hals-über-Kopf-Aktion also?« Jetzt lächelt er, und sie spürt, dass sich dieses Lächeln seinen Weg bahnt, zu einem Ort in ihr, den sie seit langem nicht mehr aufgesucht hat. Es schlägt sich durch das Unterholz ihrer Seele. Und erstaunt registriert sie, wie es in ihr ankommt und sich dort ausbreitet. Noch erstaunter ist sie, dass sie es annimmt.
    »Ja, so könnte man sagen.« Sie versucht ebenfalls ein Lächeln, das sie jedoch sofort wieder zurückholt, damit es nur nichts anrichten kann da draußen.
    Er lehnt sich zurück und verschränkt seine Hände am Hinterkopf.
    »Sind manchmal die besten Entscheidungen im Leben.«
    »Du meinst … die, die man aus dem Bauch heraus trifft?« Sie tut sich noch immer schwer mit dem Du.
    »Ja. Je älter man wird, desto vehementer und unnachgiebiger wird der Zensor hier oben.« Er tippt sich an die Stirn. »Die Leute überlassen ihm irgendwann die Regie, weil ihnen die Phantasie ausgeht.«
    »Oder der Mut.«
    Er sieht sie überrascht an. »Genau.«
    Ihre Neugier kommt so schnell wie ihre Frage. »Und was ist mit dir?«
    »Ich lass mir von dem Kerl nicht gern reinreden. Klappt halbwegs, na ja, meistens jedenfalls …« Jetzt grinst er.
    Martha denkt plötzlich an Francesca und daran, was sie ihr in Triest über ihren Bruder erzählt hat. Er versuche, im großen Spiel mitzumischen, und hole sich dabei nicht selten blaue Flecken. Aber er gebe nicht auf.
    »Willst du hier in Bologna arbeiten?«, unterbricht er ihre Gedanken.
    »Zunächst mal hab ich vor, Italienisch zu lernen.«
    »Bei meiner Schwester?«
    »Ja, ich hab mich heute zum Unterricht angemeldet. Für einen Monat zunächst.«
    »Du arbeitest selbständig, oder?«
    »Ja, ich schreibe für verschiedene Magazine.«
    »Ist doch wunderbar. Das gibt einem ein Gefühl von Freiheit. Eigentlich kein Problem, sich ein paar Monate auszuklinken und den Job von hier aus zu machen.«
    Sie nickt, und ihr wird auf einmal klar, dass er recht hat. Sie ist zu überstürzt losgefahren, um sich über solche Dinge Gedanken zu machen. Sie merkt, dass sie überhaupt sämtliche Gedanken kurzfristig abgeschaltet hat. Sie hätten nur gestört bei dem, was sie getan hat. Jetzt melden sie sich zurück, einer nach dem anderen. Als würde das Wachkoma, in das sie sich versetzt hat, in diesem Moment nachlassen. Als würden die Monitore wieder so etwas wie normale Herzfrequenz anzeigen. Als würde sie zurückgeholt in ihr Restleben. Sie spürt, wie ihr heiß und kalt wird, beides gleichzeitig. Und sie spürt noch etwas: einen Wundschmerz, der sich nicht mehr leugnen lässt. Es nutzt nichts, die Augen zu schließen. Sie muss weitermachen. So lange weitermachen, bis …
    »Hey, alles in Ordnung?« Er runzelt die Stirn.
    »Ja … nein … danke, schon okay.« Sie greift nach ihrer Tasche, die sie neben dem Stuhl abgestellt hat. »Wann kann ich mir die Wohnung ansehen?«
    Er reagiert sofort. »Giulia ist heute Morgen nach Kanada geflogen. Wenn du magst, gehen wir schnell rüber.«
    »Gehen?«
    Er lacht. »Das Appartement liegt zwei Straßen weiter. Hier in Bologna ist alles sehr nah beieinander, das wirst du schon noch sehen.«
    Er steht auf und schnappt sich sein Handy vom Tisch. Er tippt schnell eine Nummer ein. »Einen Moment noch.«
    Sie nickt und geht zu den Fenstern, die auf einen

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