Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)
Inspector Hearse runzelte die Stirn, schaute wieder zu Deputy Inspector Cunningham und nickte. Er machte das ständig, als wäre er ein Zauberkünstler und Deputy Inspector Cunningham sein Assistent, der ihm die Requisiten reichen muss.
Deputy Inspector Cunningham holte hinter seinem Klemmbrett einen durchsichtigen Plastikbeutel hervor, den er auf die Tischplatte warf, wo er mit einem leisen Aufklatschen landete. Es war eine sehr dramatische Geste, ja wirklich, sehr dramatisch. Und man merkte, dass sie es dramatisch wirken lassen wollten. Die Polizei hat jede Menge solcher psychologischen Tricks. Aber das wissen Sie wahrscheinlich selbst, wenn Sie Fernsehen schauen.
»Etwa hundertdreizehn Gramm Marihuana«, bemerkte Chief Inspector Hearse, »aus deinem Handschuhfach.«
Ich will ehrlich zu Ihnen sein: Das Marihuana hatte ich völlig vergessen. Tatsache ist, dass ich das Handschuhfach in der Schweiz das letzte Mal geöffnet hatte. Seitdem hatte es dafür keinen Grund mehr gegeben. Aber versuchen Sie mal, das um zwei Uhr morgens der Polizei zu erzählen, wenn Sie gerade bei der Einreise ins Land verhaftet wurden.
»Das ist ziemlich viel Gras, Alex. Alles für den Eigenbedarf?«
»Nein …« Ich besann mich eines Besseren. »Ich meine, ja. Ich meine, es war für den Eigenbedarf, aber nicht für meinen.«
Chief Inspector Hearse hob die Augenbrauen etwa einen halben Meter in die Höhe. »Du willst damit sagen, dass diese hundertdreizehn Gramm Marihuana nicht für dich sind?«
»Das Marihuana gehörte Mr. Peterson.«
»Ich verstehe«, sagte Chief Inspector Hearse. Er kratzte sich wieder an seinem Muttermal und schüttelte den Kopf. »Es wird dich nicht überraschen, dass wir auch eine beträchtliche Menge Geld in deinem Wagen gefunden haben.« Er warf einen Blick auf die Inventarliste. »Sechshundertfünfundvierzig Schweizer Franken, zweiundachtzig Euro und dreihundertachtzehn Pfund. Die Scheine befanden sich in einem Umschlag in der Ablage der Fahrertür, zusammen mit deinem Ausweis. Das ist verhältnismäßig viel Geld für einen Siebzehnjährigen, meinst du nicht auch?«
Ich sagte nichts.
»Alex, das ist sehr wichtig. Was genau hattest du mit diesen hundertdreizehn Gramm Marihuana vor?«
Ich dachte eine Weile darüber nach. »Ich weiß nicht. Ich hatte gar nichts damit vor. Wahrscheinlich hätte ich es weggeworfen. Oder vielleicht verschenkt. Keine Ahnung.«
»Du hättest es verschenkt ?«
Ich zuckte mit den Schultern. Es wäre vermutlich ein nettes Geschenk für Elli gewesen. Sie hätte es zu schätzen gewusst. Aber das behielt ich für mich. »Ich habe kein persönliches Interesse daran«, erklärte ich. »Ich meine, es macht Spaß, das Zeug anzubauen, aber das ist auch alles. Ich hätte es bestimmt nicht behalten.«
Deputy Inspector Cunningham bekam einen Hustenanfall. Es war das erste Geräusch, das er machte, und ich erschrak ein bisschen. Ich hatte schon angefangen zu glauben, er sei stumm.
»Du hast es angebaut?«
»Ich habe es in Mr. Petersons Auftrag angebaut«, stellte ich klar.
»Ich verstehe. Du hast es angebaut, und dann hast du es verschenkt. Also ein Akt der Wohltätigkeit?«
»Nein. Ich meine, es gehörte mir ja nicht. Es gehörte Mr. Peterson, also konnte ich es gar nicht verschenken. Wie ich schon sagte, ich habe es bloß angebaut.«
»Ja. Du hast es angebaut, aber du hast keinerlei persönliches Interesse an der Substanz?«
»Nur ein pharmazeutisches.«
Chief Inspector Hearse schaute Deputy Inspector Cunningham an und trommelte dann mit seinen Fingerspitzen eine Weile auf der Tischplatte herum. »Alex, ich frage dich noch einmal«, sagte er. »Nimmst du Drogen? Stehst du im Moment unter dem Einfluss von Drogen?«
»Nein.«
»Hast du jemals Drogen genommen?«
»Nein.«
»Also schön. Dann musst du mir eine Sache erklären.« Deputy Inspector Cunningham reichte Chief Inspector Hearse ein weiteres Blatt Papier. »Wir haben mit dem Zollbeamten gesprochen, der dich unter Arrest gestellt hat. Er meinte, du hättest dich sehr merkwürdig benommen. Er sagte, als er versuchte, dich in Gewahrsam zu nehmen, hast du dich geweigert zu kooperieren. Er sagte – und ich zitiere: ›Der Verdächtige drehte die Musik im Auto so laut auf, dass man sie wahrscheinlich noch in Frankreich hören konnte. Dann ignorierte er mich ein paar Minuten lang. Er starrte stur geradeaus, und dabei war sein Blick verschleiert. Als ich ihn schließlich dazu brachte, das Fahrzeug zu verlassen, erklärte er mir, er
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