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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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da das Verbrechen ja bis heute nicht vollständig aufgeklärt ist, nicht weiß, daß es nicht Silvano war, der diese Dinge getan hat. Wahrscheinlich war Fabio derjenige, der die Handtasche durchwühlte, wie es Nicolino ausgesagt hat – und Silvano hatte sich bereits im Schilf versteckt. Sergio war es, der die toten Körper voneinander getrennt oder das wenigstens behauptet hat, und die Opfer selbst haben sich den Ort ausgesucht, an dem sie sich liebten und an dem sie ermordet wurden. Serienmörder wiederholen ihre eigenen Taten, soweit ich das begreife, nicht die Taten von drei, vier anderen Leuten. Anscheinend hat dieser Täter hier den Mord von 1968 uns zuliebe initiiert, weil wir Silvano laufenließen. Und als niemand etwas merkte, kam ein Brief, der uns mit der Nase draufstieß und uns sagte, wir sollten uns die Gerichtsakten von 1968 vornehmen.«
    »Jetzt bin ich aber doch beeindruckt«, gab Ferrini zu, »aber was ist mit dieser kleinen Scheußlichkeit, daß die Leichen so verstümmelt wurden?«
    »Das kam erst später. Ist Ihnen etwas aufgefallen? Ich habe heute vormittag daran gedacht, als Simonetti immer wieder auf den Verdächtigen losging… Als der Mörder anfing, den Frauen die Schamteile herauszuschneiden, hörte er auf, sich für ihre Handtaschen zu interessieren.«
    »Oho, Guarnaccia, Sie kommen ja auf Freudsches Territorium. Das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut!«
    »Was soll das denn heißen? Ich habe dabei an meine Mutter gedacht.«
    »Noch schlimmer.«
    »Ich kann Ihnen nicht folgen.«
    »Entschuldigung, ich wollte Sie nur ein bißchen auf den Arm nehmen. Aber im Ernst – was hat Ihre Mutter denn mit dem Ganzen zu tun?«
    »Im Grunde gar nichts. Mir war nur eben eingefallen, daß sie mir einmal eine kräftige Ohrfeige verpaßt hat. So etwas kam sehr selten vor, deshalb habe ich die wenigen Male nie vergessen. Die Ohrfeige bekam ich, weil ich in ihrer Handtasche herumgekramt hatte – ich hatte gar nichts rausnehmen wollen, ich war nur neugierig. Ich war überzeugt davon, daß sie faszinierende Geheimnisse darin aufbewahrte. Sie wissen doch, wie Mütter sind, meine Frau ist genauso. Sie sagt zu einem der Jungs: ›Ach, bring mir doch mal meine Handtasche, sie steht auf dem und dem Stuhl.‹ Und nie, nie dürfen die Jungs die Tasche aufmachen und sich das Geld selbst herausnehmen.«
    »Das stimmt, aber was hat das…«
    »Auch als Erwachsener würde man sich nicht im Traume einfallen lassen, in der Handtasche einer Frau herumzukramen, sowenig, wie man sie anfassen würde. Dasselbe bei Mantel- oder Hosentaschen… aber vielleicht drücke ich mich nicht verständlich aus. Ich dachte nur, so etwas mache nur einer, der sexuelle Probleme hat.«
    Nun waren sie jedoch wieder an dem Punkt angekommen, von dem sie ausgegangen waren. Über Silvano konnte man derartiges nicht behaupten. Eine halbe Stunde lang drehten sie sich im Kreis und fanden keinen Ausweg. Den fanden sie erst, als sie nicht mehr danach suchten. Wenn sie in Silvano nicht das Ungeheuer erkennen konnten, mußten sie ihn aufgeben. Wenn sie Silvano aufgeben mußten, mußten sie auch die Beretta 22 aufgeben, die er 1968 verwendet hatte. Deshalb sprachen sie die Ballistik- und die Obduktionsberichte noch einmal durch, hofften, dort eine Lücke zu finden, aus der man hätte schließen können, daß die Delikte nicht stets mit der gleichen Waffe verübt worden waren. Eine solche Lücke fanden sie nicht, aber der Ausweg aus dem ewigen Kreislauf lag vor ihnen. Dort, wo er immer gewesen war, direkt vor ihrer Nase. Reine Glückssache, ihn zu erkennen, zumal sie inzwischen frustriert und müde waren, und trotzdem fanden sie ihn. Von 1974 an war jedes der Verbrechen in ihren Akten mit den dazugehörigen Ballistik- und Obduktionsberichten aufgeführt. Der Maresciallo jedoch nahm den Bericht über den Mord von 1968 aus Romolas Aufzeichnungen, wohingegen Ferrini den Bericht über den Mord von 1974 aus der Akte ihres Verdächtigen hervorzog. Beide begannen hektisch halblaut zu lesen, und plötzlich stockten beide. Da stand über 1968: »Die Opfer wurden viermal getroffen, und die Eintrittswunden liegen bei beiden sehr dicht nebeneinander, ausgenommen ein in den Arm der Frau abgefeuerter Schuß.«
    Und über 1974: »Die weibliche Leiche wies drei Schußwunden im rechten Arm auf, die für den Tod der Frau nicht ursächlich waren. Sie war mit einem Messer getötet worden.«
    Silvano war 1968 ein guter Schütze gewesen und hatte gründliche Arbeit geleistet,

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