Das Ungeheuer von Florenz
hatte eine Weile gedauert, bis der Brand gelöscht war, und man hatte den Wagen noch nicht bergen können. Das hatten sie auf den kommenden Tag verschieben müssen, bis es wieder hell war. Sie hatten den Wagen am Fundort fotografiert, ebenso die Körper der Toten, die sie im Kofferraum gefunden hatten und die ins Gerichtsmedizinische Institut gebracht worden waren. Die Toten waren bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Nichtsdestotrotz wußte der Capitano, wer sie waren, obwohl das noch offiziell bestätigt werden mußte.
Flavios Auto war leicht zu erkennen und fiel in dieser verschlafenen ländlichen Gegend, in der die Leute mit dreirädrigen Lieferwagen und alten Nutzfahrzeugen unterwegs waren, auf wie ein weißer Rabe. Es war ein schwerer Kombi mit einem riesigen Dachgepäckträger, den er selbst gebaut hatte. Es war gesehen worden, als es vor der einzigen Bar in einem Dorf in der Nähe geparkt war, in der Flavio und sein Begleiter, ein junger Schäfer, den er kürzlich eingestellt und unter seine Fittiche genommen hatte, eine Pause gemacht und einen Kaffee getrunken hatten. Das Dorf schmiegte sich an einen kleinen Hügel, und es führten nur zwei Straßen aus ihm heraus. Die eine, auf der sie gekommen waren, zog sich in Windungen bis zu einem noch höher gelegenen Berg und zum nächsten Ort hin. Die andere war kaum mehr als ein steiniger Fahrweg, der ins Tal und ins nächste Dorf führte. Diesen Fahrweg hatten sie genommen, nachdem sie sich beim Barbesitzer nach dem Weg zu einem Bauernhaus erkundigt hatten, das in diesem Tal lag. Im nächsten Dorf war das Auto nicht angekommen, so daß man davon ausgehen konnte, daß es bei dem erwähnten Bauernhaus gehalten hatte. Ungefähr zu der Zeit, als sie dort hätten ankommen müssen, hörte ein Mann, der abgeschieden in dem nahe gelegenen Wald lebte, mehrere Schüsse. Eine Stunde später ging die Brandmeldung ein. Blutspuren wurden auf dem ganzen Fahrweg von dem Bauernhaus bis hin zur Schlucht gefunden. Ein Versuch, das Auto und seine Insassen dadurch zu beseitigen, daß man das Fahrzeug in die Schlucht stieß, war gescheitert, da es in einer vom Fahrweg noch einsehbaren Tiefe zwischen den Bäumen steckengeblieben war. Daher war das Auto in Brand gesteckt worden.
»Ich habe alle erdenklichen Beweise, die ich brauchen kann«, berichtete der Capitano. »Sein Gewehr hing noch hinter der Küchentür. Er ist ein übler Kerl, und ich bin ziemlich sicher, daß er nicht zum ersten Mal einen seiner Feinde ins Jenseits befördert hat.«
»Warum war Flavio denn sein Feind?« fragte Ferrini und hoffte wider aller Hoffnung, daß bei diesem Fall etwas für sie Nützliches abfiele.
»Vargius? Nein, hinter dem anderen war er her, hinter dem Schäfer. Vargius wurde nur erschossen, weil er zufällig mit ihm zusammen war. Das ist eine Fehde, die seit einiger Zeit zwischen zwei rivalisierenden Familienclans ausgetragen wird. Der junge Mann hatte für den Bauern im Tal gearbeitet und ein ganzes Jahr keinen Lohn gesehen. Er schlief bei den Tieren und bekam etwas Brot, Käse und Wein, kaum genug, um Leib und Seele zusammenzuhalten. Da lief er weg und fing an, für Vargius zu arbeiten, der mit der anderen Familie ganz gut stand. Vargius und der Schäfer sind hingefahren, um den Lohn des jungen Mannes einzutreiben. Statt dessen bekamen sie eine Kugel in den Leib. Nein, ich habe nur in Florenz angerufen, weil ich dachte, Ihr solltet dort wissen, daß Vargius tot ist. Er war doch Verdächtiger in der Mordserie, nicht? Oder irre ich mich?«
»Nein, Sie irren sich nicht«, erwiderte Ferrini, »aber mit wem haben Sie denn am Telefon gesprochen? Ich weiß nichts von Ihrem Anruf. Ich habe Sie angerufen, weil ich mit Ihnen über Flavio sprechen wollte, aber ich hatte keine Ahnung, daß er da schon tot war.«
»Ach so. Sie arbeiten doch an dem Fall, in der Sonderkommission, oder? Ehrlich gesagt, hätte ich nicht gleich in Florenz angerufen, wenn es nicht Ihretwegen gewesen wäre.«
»Danke. Genau das wollte ich wissen. Aber derjenige, mit dem Sie telefoniert haben, hat die Neuigkeit wohl nicht für so wichtig gehalten, daß er sie den anderen aus der Sonderkommission mitgeteilt hätte.«
»Ich verstehe. Dieser Simonetti, zu dem man mich durchgestellt hat, hatte einen ziemlich ruppigen Ton am Leib, das muß ich schon sagen. Ich hatte nicht den Eindruck, daß er die Nachricht gern gehört hat.«
»Ja.«
Das kam vom Maresciallo, und die beiden anderen Männer schauten ihn an, als hätten sie
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