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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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half, das Gespräch eine halbe Stunde hinauszuschieben. »Hat er gesagt, es sei dringend – ach ja…«
    Es war ihm entfallen. Er hatte doch versprechen zu kommen und mit dem Capitano über den anonymen Brief zu sprechen. Dringend war das allerdings nicht. Inzwischen war es sowieso zu spät, und er hatte genug für heute. In diesem Falle war es besser, das Gespräch zu verschieben. Manchmal hatte man so viel Ärger auf dem Hals, daß man sich nicht noch mehr aufladen wollte. Der Maresciallo verspürte das dringende Bedürfnis, allein zu sein, obwohl er weiß Gott, dachte er betrübt, nicht darum herumkam. Er würde den Capitano morgen aufsuchen. Ein Kummer pro Tag genügte.
    Doch der Tag war noch nicht vorüber. Als sie durch den Torbogen hindurchfuhren, reckte der Fahrer den Hals und sagte: »Da steht ein Auto der Polizei. Was tun die denn hier?«
    Dem Maresciallo krampfte sich der Magen zusammen, als eine gedrungene Gestalt aus dem fremden Auto ausstieg und auf das ihre zukam. Sie hielten an, der junge Fahrer sprang hinaus und ging um den Wagen herum, um den Maresciallo herauszulassen. Er kam zu spät. Die wartende Gestalt hatte schon einen langen Schritt nach vorn getan und die Tür geöffnet. Trotz der Dunkelheit erkannte der Maresciallo den Mann an der Statur. Er war Di Maira.
    »Guarnaccia? Kann ich Sie kurz sprechen?«
    Sie saßen einander gegenüber am Schreibtisch in dem kleinen Büro, doch der Maresciallo wich dem Blick Di Mairas aus und schaute statt dessen auf die Karte seines Reviers an der gegenüberliegenden Wand und wartete darauf, was als nächstes über ihn kommen sollte. Was es auch sein mochte, er wußte schon im voraus, daß er zu müde und zu überreizt war, um angemessen zu reagieren. Die Woge, die ihn nun treffen mochte, würde ihn fortspülen, ohne daß er auch nur etwas entgegenhalten konnte. Das Schlimmste, was ihm nun passieren konnte, war, in ein gottverlassenes Nest versetzt zu werden, und damit mußte er sich abfinden. Schließlich hatte ihm niemand aufgetragen, die Ermittlungen durchzuführen, die er durchgeführt hatte. Ferrini war so klug gewesen, den Krempel hinzuwerfen, bevor es zu spät war. Diese Klugheit hatte er nicht besessen. Teresa und, noch mehr sogar, die Jungs würden am meisten darunter zu leiden haben: Sie würden die Schule wechseln müssen, ihre Freunde verlieren – wieder eine völlige Umwälzung ihres Lebens, wo sie gerade erst zur Ruhe gekommen waren. Warum hatte er sich nur darauf eingelassen? Weshalb war er nur so egoistisch gewesen und so weit vorgeprescht und hatte nicht an seine Familie gedacht? Es war unverzeihlich.
    »Ich verbringe lieber etwas Zeit mit meiner Familie…«
    Ferrini hatte recht. Jeder, der auch nur einen Funken Verstand im Kopf hatte, dachte ebenso.
    »Ich bin anders als Sie. Wenn Sie sich mal in etwas verbissen haben…«
    Warum redete der verfluchte Mensch nicht endlich?
    Sollten sie es doch hinter sich bringen. Er hatte sich zum Narren gemacht und wollte hinnehmen, was auf ihn zukam. Aber es sollte endlich kommen.
    Di Maira rückte aber noch immer nicht mit der Sprache heraus. Als der Maresciallo schließlich seine Augen vom Stadtplan losriß und seinem Gegenüber zuwandte, sah dieser alles andere als glücklich aus. Die stahlblauen Augen wichen dem Blick des Maresciallo unsicher aus. Es war unglaublich. Der Mann wartete auf Hilfe. Aber was spielte das inzwischen für eine Rolle? Der Maresciallo unternahm zum letzten Mal an diesem Tag eine Anstrengung.
    »Es überrascht mich nicht, Sie zu sehen«, begann er. »Mir ist gleich zu Anfang aufgefallen, daß Sie mich beobachten.«
    »Ach, wirklich?«
    Der schwere Mann beugte sich nach vorn, Ellbogen auf den Knien, die Hände vor den Beinen herunterhängend, und schaute dem Maresciallo zweifelnd ins Gesicht. »Ich war mir nicht sicher, ob ich recht hatte. Wenn nicht, sagen Sie es ruhig und setzen Sie mich vor die Tür. Es wäre unverzeihlich, wenn ich Sie grundlos in Schwierigkeiten bringe. Etwas… ja, also mir ist einmal etwas passiert, und das wünsche ich niemandem. Die Verwirrung hat wohl damit angefangen, daß ein Gerücht umging, die in diesem Fall einbezogenen Carabinieri seien Ersatzleute, für die man anderswo keine Verwendung hatte. Doch dann fiel Esposito dieser Transsexuellen-Fall ein, und wir bekamen gleich Zweifel über Sie und Ferrini. Und erst vorgestern fiel Simonetti ein anderer Fall ein, an dem Sie gearbeitet haben. Anscheinend haben Sie ihm die Sache verpfuscht. Solche

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