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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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weggenommen und sie in ein Kühlfach gelegt. Das macht man doch nicht, das ist nicht recht – und was hat es denn genützt? Gefunden haben sie ihn nicht. Er hat weitergemordet, und ich bin dazu verdammt, für den Rest meines Lebens jeden Samstag hierherzukommen. Ich kann nicht um sie trauern, weil sie mir nicht erlaubt haben zu tun, was getan werden mußte. Ich kann sie nicht gehen lassen, weil sie mich immer noch braucht, ihr armer, geschundener Leib braucht mich. Ich möchte sie halten! Ich möchte sie nur noch einmal halten und diesen ganzen Schmerz lindern.«
    Der feste Griff, mit dem sie den Arm des Maresciallo immer noch umklammerte, lockerte sich, und sie drehte sich um und berührte das kleine Bild ihrer Tochter aus Porzellan, das an dem Kreuz neben dem ihres Freundes angebracht war. Es war nach der Fotografie angefertigt, die der Maresciallo im Wohnzimmer gesehen hatte.
    »Es hätte es lieber, wenn ich mit Chrysanthemen auf den Friedhof ginge, wenn ich in die Kirche ginge und betete, aber ich gehe nicht einmal in die Nähe, dort setze ich keinen Fuß mehr hinein. Das Begräbnis war das letzte Mal, da hab ich dort gekniet und mir die Statue von der Jungfrau mit dem toten Christus angesehen und konnte es nicht ertragen. Sie hat auch gelitten, aber ihr haben sie ihn wenigstens zurückgegeben, und sie konnte ihn halten. Sie mußte nicht immer wieder auf den Kalvarienberg steigen, weil sie ihre Mutterpflichten nicht erfüllt hatte. Auf der ganzen Welt gibt es wohl keinen Mann, der imstande ist, das zu verstehen. Sehen Sie ihn sich doch an da oben! Er versteht gar nichts, er denkt, ich verliere den Verstand. Na ja, wir werden beide nicht mehr lange leben, weil wir nichts mehr haben, wofür wir leben könnten. Wir sind bald nicht mehr da, und dann hat das alles ein Ende.«
    »Es wird dunkel«, rief der Maresciallo ihr leise ins Gedächtnis. »Ich finde, Sie sollten jetzt nach Hause gehen.«
    Erst in diesem Augenblick wurde ihr klar, daß der Maresciallo um ihretwegen und nicht ihres Mannes wegen gekommen war. »Warum sind Sie hier?«
    »Ich muß Ihnen ein paar Schmuckstücke zeigen, die wir gefunden haben, falls Sie der Meinung sind, sie könnten von… aus Saras Handtasche sein.«
    »Zeigen Sie sie mir. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, ich werd nicht hysterisch oder irgendwas.«
    »Nein, das denke ich auch nicht, aber es ist vielleicht schon zu dunkel. Vielleicht wollen Sie sich die Sachen im Haus ansehen.«
    Doch sie zog eine Taschenlampe aus der großen Tasche ihres Mantels. Offenbar hatte sie es mehr als einmal durchgesetzt, auch im Dunkeln noch hierzubleiben. Sie leuchtete mit der Lampe auf das Päckchen mit den farbigen Armreifen.
    »Die gehören meiner armen Sara nicht. Haben Sie noch etwas?«
    »Nein, das ist alles.«
    »Wollen Sie mir dann Ihren Arm geben und mit mir zur Straße hinaufgehen? Neuerdings schwellen mir die Beine an, und ich atme so schwer.«
    Der Maresciallo reichte ihr den Arm, und als sie oben angekommen waren, stützte ihr Mann sie auf der anderen Seite, bis sie zu Hause waren.
    »Ich komme nicht noch einmal mit hinein«, sagte der Maresciallo. »Ich möchte Sie nicht länger stören.«
    Die Mutter ging wortlos ins Haus, als ihr Mann ihr die Tür öffnete. Sich mit beiden Händen am Geländer festhaltend, stieg sie langsam die Treppe zu der leeren Wohnung hinauf.
    Der Vater sah ihr nach und wandte sich noch einmal um: »Ich gehe ihr lieber nach. Sie hat Schwierigkeiten mit der Treppe. Ich dachte, wir könnten einander trösten, aber… sie fehlt mir.«
    »Ja.«
    Der Maresciallo verstand, daß diese Worte sich nicht auf die tote Tochter bezogen. Die Tür wurde geschlossen, und er ging.
    »Wir verschwenden unsere Zeit. Wofür? Für wen?«
    Nun wußte er eine Antwort. Vielleicht half es diesen Menschen. Vielleicht aber auch nicht. Mehr konnte er nicht sagen.
    Schweigend stieg er wieder ins Auto ein. Schweigend fuhren sie wieder auf die Straße nach Florenz auf. Sie waren schon in der Stadt, als der Maresciallo vom Fahrer aus seinen Grübeleien gerissen wurde.
    »Soll ich gleich hinfahren?«
    »Was? Wohin?«
    »Haben Sie nicht gehört?«
    »Nein.«
    Der Maresciallo hatte zwar die über Funk gekommene Durchsage wahrgenommen, aber nicht darauf geachtet. »Tut mir leid, ich war weit weg. Was ist denn?«
    »Capitano Maestrangelo möchte Sie sprechen. Ich hab Sie gefragt, ob ich gleich dorthin fahren soll oder ob Sie zuerst zum Palazzo Pitti wollen.«
    »Zum Pitti.«
    Obwohl es nicht

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