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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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dort drüben rechts?«
    »Das ist die Piazza Santa Croce. Vielleicht sollten Sie einplanen, mal einen Tag länger hierzubleiben, wenn Sie das nächste Mal in die Klinik kommen.«
    Der Maresciallo war sich ziemlich sicher, daß diese Frau in ihrem ganzen Leben kein einziges Mal etwas nur zu ihrem Vergnügen getan hatte. Seit jener Nacht schleppte sie ihre Angst und ihren Kummer mit sich herum. Es kam ihm grausam vor, sie nun darauf anzusprechen, und daher wartete er einen Augenblick, während sie auf die Stadt hinabschaute, und hoffte, sie werde ihn nicht nach dem Namen eines Gebäudes fragen, das er nicht kannte oder von hier oben nicht erkannte.
    Schließlich war sie es, die wieder auf den Grund ihres Hierseins zu sprechen kam. »Entschuldigen Sie, Sie haben mich ja nicht abgeholt, damit ich hier die Aussicht betrachte. Was werden Sie von mir denken?«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Signora, wirklich.«
    »Aber mein Zug geht um ein Uhr. Sie sollten besser anfangen, Ihre Fragen zu stellen.«
    Er konnte nicht erklären, daß das nicht so einfach war. Es ging ihm gar nicht darum, ihr Fragen zu stellen, die Tatsachen standen ja alle in dem Bericht, den er gelesen hatte. Ihm ging es darum, einen Kontakt herzustellen. Er war nicht am Tatort gewesen, das war das Problem. Die unmittelbare Anschauung, das war der Moment, in dem man alles verstand. Man roch die Menschen, die am Tatort gewesen waren, konnte ihre Bewegungen an allem, was sie berührt hatten, nachvollziehen, spürte, wie die Atmosphäre nach ihrem Verschwinden war. In einem Bericht stand davon nichts, und die einzige Brücke dazu war diese Frau, deren ganzes Leben von dieser Tat geprägt war.
    »Ich kann mir denken, daß Sie ihn immer noch hassen.«
    »Silvano? Ja, ich hasse ihn immer noch. Es ist ein Haß, der mit jedem Tag tiefer dringt und schwärzer wird. Wenn er 1988 verurteilt worden wäre, würde es mir bessergehen. Man hat damals Margheritas Leiche exhumiert, aber das wissen Sie vermutlich. Trotzdem hat es nichts genützt. Es war ja auch schon fast dreißig Jahre her.«
    »Die Exhumierung muß für Sie sehr schmerzlich gewesen sein.«
    »Schmerzlich war für mich, daß er davongekommen ist. Von mir aus hätten sie sie ein dutzendmal ausgraben können, wenn das etwas genützt hätte. Er ist ein böser Mensch und schlau wie der Teufel. Diese Augen… Das meine ich ganz ernst, Maresciallo, er ist ein Teufel. Aber ich habe gegen ihn ausgesagt und würde es morgen wieder tun, auch auf die Gefahr hin, daß er mich ebenfalls umbringt. Meine Mutter war dagegen, und sie hat getan, was sie konnte, um mich daran zu hindern. Das werde ich nie verstehen! Margherita war doch ihre Tochter! Klar, sie hatte Angst vor ihm.«
    »Das ist verständlich.«
    Diese Frau wußte nichts von der Beziehung zwischen Silvano und ihrem Bruder, das war schon aus der von Di Maira angefertigten Abschrift des Anrufs bei ihrer Mutter nach Silvanos Verhaftung im Jahre 1986 hervorgegangen.
    »Du halt dich da raus, sag ich dir.«
    »Ich werde mich nicht raushalten. Noch mit meinem letzten Atemzug werde ich gegen diesen Teufel aussagen.«
    »Halte dich raus! Es bringt Margherita nicht zurück, und was ist dann mit deinem Bruder? Was ist mit Giuseppe? Sie werden ihn auch verhaften, und wie soll ich da zurechtkommen, jetzt, wo euer Vater tot ist?«
    »Was hat Giuseppe denn damit zu tun?«
    Sie wußte nichts von der Beziehung.
    »Sie hatte so große Angst vor ihm, daß sie danach nicht einmal den Kleinen nehmen wollte. Sie sagte, wenn sie ihn nähme, habe Silvano einen Vorwand, ständig zu ihr ins Haus zu kommen, und das wolle sie nicht. Sie sagte, sie wolle nicht, daß er mir auch noch etwas antut.«
    »Das ist auch verständlich, obwohl das Kind einem natürlich leid tut.«
    »Silvano ist sowieso gleich danach abgehauen, hat eine Pistole mitgenommen, die er meinem Onkel gestohlen hatte und mit der er dieses Pärchen umgebracht hat. Diese jungen Leute hätten nicht sterben müssen, wenn sich damals jemand dafür interessiert hätte, was er Margherita angetan hat.«
    Ihre zusammengekniffenen Augen und die verbittert nach unten weisenden Mundwinkel ließen keinen Zweifel daran, daß sie keine Augen mehr für die sich vor ihnen ausbreitende schöne Stadtlandschaft hatte. Sie hatte sich wieder in ihre dunklen Erinnerungen zurückgezogen.
    »Die Selbstmordversion haben Sie also nie geglaubt, auch als Kind nicht?«
    »Selbstmord? Das hat doch niemand geglaubt, aber sie war mit einem anderen Mann

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