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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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gesehen worden, und deswegen behandelten sie alle im Dorf wie eine Aussätzige. Das wußte ich damals nicht. An dem Tag, an dem sie starb, half ich ihr, die wenigen Sachen zusammenzupacken, die sie und das Baby hatten, damit sie fortgehen konnten. Sie traute sich nicht, die Sachen in Taschen zu packen, denn die hätte er gesehen. Wir haben bloß im Schrank ein kleines Bündel zusammengeschnürt. Aber es war ein Brief da, ich hab ihn gesehen. Ein Brief aus dem Waisenhaus, in dem stand, daß man sie erwartete, und eine Fahrkarte hatte sie auch schon. Ich war die einzige, die diese Sachen gesehen hat. Sie hatte nicht einmal meiner Mutter gesagt, daß sie fortgehen wollte. Sie hätten es nicht zugelassen, meine Eltern. Es war eine unvorstellbare Schande, den Ehemann zu verlassen, ganz gleich, was er einem angetan hatte.
    Ich war bis gegen sechs Uhr dort bei ihr. Dann sagte sie: ›Mach mir bitte noch das Fläschchen für Amelio warm, aber dann solltest du besser gehen.‹ Ich setzte Wasser auf, um die Flasche hineinzustellen, wenn es warm war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich alles nur aufregend gefunden, sie tat ja etwas, das mutig und neu war. Ich habe mich wohl von ihrer Erregung anstecken lassen, aber Angst hatten wir auch.
    Angst, daß er jeden Augenblick hereinkommen und irgend etwas ahnen könnte.
    Wir sprachen sehr leise, als könnte er uns belauschen. Und dann ging ich ins Schlafzimmer, um den Kleinen zu holen. Er hopste in seinem Bettchen herum und fing an, ein bißchen zu greinen. Als er mich sah, hörte er auf, lächelte und zeigte auf mich. Ich sagte ›Sag Ida‹ zu ihm, ich versuchte schon seit Ewigkeiten, ihm meinen Namen beizubringen.
    ›Diida!‹ Er sagte es zum ersten Mal. Dann fiel mir ein, daß sie ja fortgingen und daß nicht sicher war, ob ich ihn je wiedersehen würde. Margherita war für mich eher wie eine Mutter gewesen, nicht wie eine Schwester, sie war ja so viel älter. Auf einmal hörte ich, wie sie in der Küche in Tränen ausbrach, und rannte hinüber. Sie saß am Küchentisch, den Kopf auf den Arm gelegt, und die ganze Spannung war von ihr abgefallen. Sie war einfach zusammengebrochen. Ich ging zu ihr hin und berührte sie am Haar.
    ›Was ist denn passiert?‹ ›Mir ist das Gas ausgegangen, jetzt kann ich die Flasche nicht wärmen, und das sind die einzigen Strümpfe, die ich für morgen habe, und die haben eine Laufmasche.‹ ›Ich kann doch Mama fragen, ob sie ein Paar Strümpfe für dich hat.‹ ›Bloß nicht, sie würde merken, daß irgend etwas im Gange ist.‹ ›Dann lauf ich eben zu Marcello und sag ihm, er soll dir einen Kanister Gas bringen.‹ ›Er würde sowieso nicht kommen. Ich hab den letzten noch nicht bezahlt, und ich habe kein Geld. Geh nur nach Hause.‹ ›Ich könnte zum Abendbrot bleiben.‹ Das hab ich oft gemacht, denn er aß immer bei seiner Mutter und ging dann aus. An dem Abend hatte ich allerdings Angst zu bleiben, weil ich mir sicher war, daß er irgend etwas merkte und anfangen würde, sie zu schlagen. Ich hatte aber auch Angst, sie in diesem Moment allein zu lassen. Der Kleine fing an, nach seiner Milch zu weinen, wahrscheinlich hörte er sie.
    ›Wir müssen ihm unbedingt seine Flasche wärmen. Ob ich bei den Nachbarn frage?‹ Wir mußten ständig bei den Nachbarn borgen.
    ›Ich gehe selber, du geh nach Hause.‹ ›Ich könnte doch zum Abendbrot…‹ ›Nein.‹ Ich sollte gehen, weil sie nichts zu essen im Haus hatte. Das sollte ich nicht erfahren, weil sie sich schämte. Ich glaube, dafür hat sie sich mehr geschämt als für die grün und blau geschlagenen Augen und alles. Das ist mir am nächsten Tag klargeworden, als alles vorbei war. Die Frau aus der Wohnung nebenan kam zu meiner Mutter herüber, als die Carabinieri gegangen waren. Ich hab sie schon durch das Fenster gesehen und hab mich versteckt. Dann bin ich zur Küchentür geschlichen und hab gelauscht. Viel hab ich nicht gehört, und die Fetzen hab ich nur instinktiv verstanden, viele der Wörter kannte ich nicht.
    ›Ich hab's dem Maresciallo schon gesagt… Mein Mann auch… Und dann noch mal, so gegen zehn. Wenn sie kein Gas gehabt hat…‹ ›Der Arzt versteht sein Handwerk nicht…‹ ›Erstatten Sie doch Anzeige…‹ ›Kratzer überall im Gesicht… Und dann noch etwas, wenn sie sich hätte umbringen wollen, hätte sie doch nicht gewollt, daß man sie in einem solchen Zustand findet. Der Schlüpfer ganz voller Blut. Auf der ganzen Welt hätte sie nie… ist doch logisch, daß

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