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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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eine Fälschung ist. Wenn es keine ist und wenn es in Franchis Listen doch noch auftaucht, muß ich mich der Tatsache stellen, daß es gestohlen sein könnte. Der Fall liegt jedenfalls nicht so einfach. Es gibt nämlich mehr Gemälde, als bei Franchi verzeichnet, und zwar beträchtlich mehr, vor allem Porträts wie dieses, denn zu der Zeit, als er hier im Palazzo Pitti Hofmaler war, ließ die Großherzogin, Prinzessin Violante, ihn alle Hofdamen, die in ihrem Dienst standen, malen. Diese Bilder verzeichnete er alle als Auftragswerke der Prinzessin, aber – und das ist ein großes Aber – er hat außerdem Kopien der gleichen Porträts angefertigt, und daß er die alle verzeichnet hat, darauf kann ich mich nicht verlassen.«
    »Warum sollte er denn seine eigenen Bilder kopieren?«
    »Aus finanziellen Gründen. Es war nicht immer leicht, das Honorar von den Leuten einzutreiben, so reich sie auch waren.«
    Er deutete mit der Hand nach rechts, wo Hunderte von Orangen- und Zitronenbäumen in dem langen Gewächshaus vor der Härte des Winters geschützt waren. »Bilder in Auftrag zu geben, darauf waren sie immer erpicht, aber wenn es ans Bezahlen ging, ließ der Eifer schon nach. Franchi hielt sich dadurch über Wasser, daß er diese Porträts für die jungen Damen kopierte. Sie, die nicht so reich und mächtig waren, bezahlten ihn. Natürlich bekamen sie ihre Bilder billiger, denn es waren ja Kopien, und die herzustellen dauerte weniger lange und war nicht so mühselig. Die Großherzogin wußte von nichts, und sie hätte solche Händel sicher auch nicht gebilligt, zumal er ihr auch Kopien verkaufte, wenn er die echten Porträts bereits gegen Honorar seinen Modellen abgeliefert hatte. Und er hat ihr wohl kaum einen Rabatt gegeben.«
    »Ich verstehe, worauf du hinauswillst. Es ist ein bißchen schwierig…«
    »Das Schlimmste habe ich Ihnen noch gar nicht gesagt. Zu allem Übel haben viele weniger angesehene Maler – Franchi war ja der berühmteste Maler der Stadt – Kopien seiner Werke gemacht, und zwar ziemlich gute, manchmal in Originalgröße, manchmal aber auch verkleinert, weil das in der Herstellung nicht so teuer war – und Franchi selbst hat auch Bilder von Malern kopiert, die wiederum er bewunderte.«
    »Das ist ja ein schönes Durcheinander.«
    »Ja, das ist es, und Zuschreibungen sind natürlich schwer, auch was mein Bild angeht… Warten Sie, ich zeige Ihnen, was ich darüber gefunden habe…«
    Sie blieben unter der weißen Marmorstatue des Pegasus stehen, und Marco kramte in seinen Taschen nach einem kleinen Notizbuch. »Ich habe das alles erst heute vormittag herausgefunden, und da mußte ich einfach zu Ihnen kommen. Hier: ›In Auftrag gegeben am 10. Februar 1692 vom Prior von San Marco für den Großherzog, der Fra' Bartolomeos wunderschönes und gefeiertes Bild von San Marco in seinen eigenen Palazzo überführen und durch eine sorgfältige Kopie, angefertigt von Antonio Franchi, dem vortrefflichsten aller Maler von Florenz, ersetzen wollte, welche dieser auch mit so vorzüglicher Perfektion der Nachahmung ausführte, daß sie wahrhaftig das Original zu sein scheint.‹ Da haben Sie es.«
    »Hm.«
    »Sie sehen, es ist viel komplizierter als erwartet.«
    »Kann Ihnen denn nicht jemand helfen? Ein Fachmann, meine ich.«
    »Irgend jemand wird mir helfen müssen – zumindest, um für mich im Thieme/Becker nachzulesen, denn ich kann kein Wort Deutsch.«
    »Wo nachzulesen?«
    »Das ist das maßgebliche Künstlerlexikon. Ich dachte mir, ich könnte vielleicht einen deutschen Studenten der Kunstgeschichte auftreiben, der mir hilft, damit ich nicht alles erklären muß.«
    »Nein, Marco, du kannst das nicht alles auf eigene Faust betreiben…«
    »Ich kann es doch niemandem sagen. Überlegen Sie doch mal: Wenn dieses Bild eine Fälschung ist, könnten es viele andere auch sein. Wenn ich mir selbst gegenüber ehrlich bin, muß ich zugeben, daß ich eines schon immer gewußt oder gespürt habe: Mein Vater verfügte über Geld, für das sich keine Erklärung finden ließ, doch das konnte ich ja kaum laut sagen. Natürlich kann man nicht genau angeben, wieviel er damit verdient hat, Bilder zu authentifizieren, und er besaß durchaus die Gabe, wohlhabender zu erscheinen, als er tatsächlich war. Er war ein großer Blender, wissen Sie.«
    »Ich kann es mir vorstellen.«
    Marco schob die Hände tief in die Taschen und schaute auf den nassen Kies, als sie weitergingen.
    »Manchmal nehme ich es ihm gar nicht übel,

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