Das Ungeheuer von Florenz
meine Pflicht und teile es Ihnen mit, das ist alles. Sie sollten mir dankbar sein.«
»Scheren Sie sich nach Hause, und lassen Sie sich hier nicht noch einmal blicken, sonst werden Sie es bereuen.«
»Ich habe nichts Unrechtes getan…«
Als sich die Tür hinter ihm schloß, ging der Maresciallo zum Fenster und öffnete es. Er brauchte dringend frische Luft. Ob dies ein Vorgeschmack darauf war, was ihm in nächster Zeit bevorstand, wenn die Namen der Ermittlungsbeamten erst einmal öffentlich bekannt wurden… Nicht, daß dies Bertellis erster Besuch gewesen wäre. Er kam ständig mit erfundenen Geschichten aufs Revier, doch gewöhnlich bekam er einen der jüngeren Carabinieri zu fassen – irgendeinen achtzehnjährigen Burschen, der seinen Armeedienst ableistete, dem er eine ziemlich lange Geschichte auftischen konnte, bevor der arglose Junge etwas kapierte. Seine Geschichten stammten ohne Frage direkt aus den pornographischen Zeitschriften, mit denen seine Reparaturwerkstatt vollgestopft war, nur daß er die Geschlechter vertauschte. Er habe in der Badewanne gesessen, vergessen abzuschließen, und die Frau von nebenan sei hereingekommen und habe ihn ohne weitere Umstände angefaßt usw. usw. Nun, da die Zeitungen das Monster wieder groß herausbrachten, brauchte er nicht einmal auf die Storys und seine Zeitschriften zurückzugreifen. Der Maresciallo versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, ob er auch in den achtziger Jahren, auf dem Höhepunkt des »Monsterfiebers«, gekommen war, doch wahrscheinlich hatte er im Polizeipräsidium drüben am Borgo Ognissanti den Beamten heimgesucht, der den Fall damals bearbeitete.
Hinter ihm ging die Tür auf. Dieser verflixte Mistkerl war bestimmt immer noch nicht… »Maresciallo?«
Es war Brigadiere Lorenzini. »Der junge Mann, der Sie sprechen will, sitzt immer noch hier. Haben Sie ihn vergessen?«
»Marco, natürlich. Es war mir kurz entfallen. Hören Sie, lassen Sie diese Type hier nie wieder rein, verstanden?«
Er nahm seinen Überzieher vom Kleiderständer hinter der Tür.
»Geben Sie mir Signora Dinis Handtasche, ich bringe sie an die Porta Romana.«
»Wollen Sie, daß ich mit dem jungen Mann spreche?«
»Er wird mich begleiten. Wo ist er denn? Marco?«
Landini stand auf, als er den Maresciallo herauskommen und seinen Paletot zuknöpfen sah.
»Wenn Sie keine Zeit für mich haben, komme ich…«
»Nein, nein. Wenn es dir nichts ausmacht, ein kurzes Stück zu gehen, können wir unterwegs miteinander sprechen.«
Der Maresciallo rückte seine Mütze zurecht, und Lorenzini hielt ihm die Handtasche der alten Dame hin.
»Nicht doch, suchen Sie mir um Himmels willen eine Plastiktüte. Ich kann doch die Tasche nicht so herumtragen. Marco, ich hätte dich schon früher anrufen sollen, es tut mir leid. Es ist eine ungünstige Zeit.«
»Kann ich mir denken. Ich hab davon gehört, und es steht ja auch in den Zeitungen, deshalb…«
»Hm. Gehen wir.«
Er nahm die Plastiktüte, und die beiden machten sich gemeinsam die schmale Treppe hinunter auf den Weg.
Es hatte seit Tagen immer wieder einmal geregnet, und der Kiesweg durch die Boboli-Gärten hinter dem Palazzo, den sie einschlugen, war völlig durchweicht. Es war angenehmer, durch die Gärten zu gehen, als die enge und stets lärmende Via Romana entlang. Der Gehsteig war dort so schmal, daß er nur einem Menschen Platz bot und daß es unmöglich war, ein Gespräch zu führen, außerdem hätte man dazu den zwischen den hohen Gebäuden widerhallenden Verkehrslärm übertönen müssen.
In den Gärten wiederum war es noch stiller als gewöhnlich, denn Nässe und Nebel hielten die Touristen, die die Galerie im Palazzo besichtigten, davon ab, herauszukommen. Kein Mensch saß auf den feuchten Steinrängen des Amphitheaters, als sie unten daran vorbeigingen, und die Katzen, die sich ihre Futterrationen durch das aufbesserten, was liegengebliebene Picknickreste hergaben, strichen naß und verzagt herum und waren äußerst gereizt.
»Es wird nicht so leicht sein, wie ich dachte.«
Marco suchte in der Tasche seines Tweedjacketts nach einem Feuerzeug. »Anfangs schien alles ganz einfach, denn Franchi hat sehr genau Buch geführt über jedes seiner Gemälde, wer sie in Kommission gegeben und wieviel man ihm dafür gezahlt hat. Es sah so aus, als brauchte ich nichts weiter zu tun, als zu beweisen, daß dieses Bild, das ja nicht meiner Familie gehört, bei Franchi nicht verzeichnet ist. Ich gehe vorläufig davon aus, daß es
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