Das Ungeheuer von Florenz
daß er mich verachtet hat.«
»Und du nimmst so viel auf dich, um ihn zu schützen.«
»Um meine Mutter zu schützen.«
»Ja, sicher, wenn sie daran nicht beteiligt war… Immerhin waren sie ja geschieden.«
»Sie hat schon genug unter ihm gelitten, als er noch lebte. Noch eine Geschichte dieser Art würde sie umbringen.«
Der Maresciallo ging schweigend weiter, und nur ein kurzer Seitenblick, mit dem er Marco streifte, verriet, daß er dieses »noch eine« sehr wohl gehört hatte. Marco, den Kopf weiterhin gesenkt, die Miene düster, schien sich nicht bewußt zu sein, daß ihm diese Worte herausgerutscht waren. Sie setzten ihren Weg fort, und eine Weile hörte man nur ihre knirschenden Schritte und das Tschilpen der Vögel, die in den melancholischen winterlichen Lorbeerbüschen klagend nach einem Gefährten riefen. Der Maresciallo wollte den rechten Augenblick abwarten. Ein erzwungenes Geständnis war nie mehr als ein halbes Geständnis, und er kannte Marco gut genug, um zu wissen, daß kein Schuldgefühl, sondern Scham ihn daran hinderte weiterzusprechen. Ein Sonnenschimmer drang gerade durch den Nebel hindurch, und in seiner zarten Wärme begannen die feuchten Lorbeerblätter ihren Duft zu verströmen, der sich mit dem stärkeren Geruch eines Feuerchens vermischte. Von den Gärtnern, die die Hecken des Irrgartens zu ihrer Linken stutzten, war nichts zu hören und nichts zu sehen. Nur die feinen Rauchwölkchen zeigten an, daß sie da waren.
»Meiner Meinung nach«, sagte der Maresciallo schließlich, »solltest du unbedingt einen der größeren Antiquitätenhändler der Stadt aufsuchen. Vielleicht kennst du einen persönlich?«
»Ich kenne zwei. Der eine ging mit mir zur Schule und arbeitet nun im Geschäft seines Vaters.«
»Dann geh zu dem. Alle verfügen über Listen gestohlener Gemälde. Diese Listen mußt du durchgehen. Du weißt ja, ich kann dir da nicht helfen, auch beim besten Willen nicht.«
»Nein, natürlich nicht. Es tut mir leid. Ich hätte Sie nicht behelligen dürfen.«
»Mach dir darüber keine Gedanken, geh nur die Listen durch. Ich hätte besser nachdenken und es schon früher vorschlagen sollen, aber ich habe im Moment einfach so viel am Hals.«
»Da brauche ich Ihnen nicht noch zusätzliche Arbeit aufzuladen. Ich darf Sie nicht auch noch bitten, Benozzetti aufzusuchen – obwohl, wenn ich diese Liste vielleicht vorher durchgesehen hätte…«
»Oh, bei Benozzetti bin ich gewesen…«
»So?«
»…und nach allem, was ich dort gesehen habe, könnte ich ihn für einen Fälscher halten. Restaurator, so nennt er sich selber, aber irgend etwas scheint mir da faul zu sein. Er war sehr abweisend und, finde ich, ein bißchen verrückt.«
»Wie ich gehört habe, sollen alle Fälscher ein bißchen verrückt sein. Aber hat er angebissen? Kommt er ins Atelier?«
»Das weiß ich nicht, Marco. Ehrlich gestanden, ich glaube, ich habe mich nicht besonders geschickt angestellt.«
Wieder konnte er nur sagen: »Du brauchst einen Fachmann.«
Er schilderte, so gut er konnte, das Bild, welches Benozzetti ihm gezeigt hatte, doch es gelang ihm nur unzureichend, da er von Malerei ja nichts begriff.
»Wollen Sie damit sagen, es war die Kopie eines Bildes hier aus der Galerie?«
»Nein. Eine Kopie? Nein. Es war so ähnlich, aber irgend etwas war anders, und das hatte damit zu tun, wo ich stand… Jedenfalls waren der Arm oder die Hand anders, vielleicht auch die Art, wie er saß… Nein, eine Kopie war das nicht.«
»Dann war es genau wie die Art Bilder, von der ich eben gesprochen habe! ›Im Stil von‹, so, wie man Franchi kopierte, oder sogar so, wie er sich selbst kopierte, weil er genau solche kleine Änderungen vornahm, besonders dann, wenn das Modell kein Mitspracherecht hatte, weil das Porträt ja von der Prinzessin Violante in Auftrag gegeben worden war.«
»Trotzdem, das war nicht dein Maler. Das Bild war ein Tizian, da bin ich mir ganz sicher.«
»So? Wie hieß es denn?«
»Es war das Bildnis eines Mannes. An den Titel kann ich mich nicht erinnern. Ich könnte es dir zeigen. Jedenfalls sagte Benozzetti, er restauriere es für den Besitzer, aber wenn jemand aus dem Kultusministerium zu ihm käme, würde er sagen, er hätte es selbst gemalt, und wenn sie es nicht glaubten, würde er ein zweites malen.«
Marco schaute ihn an. »Das klingt schon ziemlich verrückt, aber trotzdem, gut möglich, daß er es wirklich nur restauriert und daß der Besitzer es dem Ministerium gegenüber nicht
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