Das Ungeheuer
oberen Stockwerken führten. Victor ging zum mittleren Treppenaufgang und stieg langsam nach oben. Auf jedem Stockwerk durchsuchte er sorgfältig jeden einzelnen der zahlreichen kleinen Räume, die zu beiden Seiten eines langen Flurs lagen. In jedem der Räume bot sich ihm der gleiche Anblick von Verfall und Verwahrlosung.
Verwirrt kehrte Victor ins Erdgeschoß zurück. Er ging zu einer der gähnenden Fensteröffnungen und spähte hinaus über den Fluß, den Damm, den Teich und schließlich über den leeren Abflußgraben und die rostigen Tore, die ihn gegen den reißenden Fluß abschotteten.
Erst in dem Moment fiel Victor wieder ein, daß der Uhrenturm mit den anderen Gebäuden durch kunstvolle Tunnelsysteme verbunden war, die angelegt worden waren, um die Kraft von den Schaufelrädern zu kanalisieren und zu verteilen. Im Uhrenturm hielt sich VJ nicht auf, soviel stand fest. Victor fragte sich, ob sein Sohn durch irgendeinen Zufall auf dieses Tunnelsystem gestoßen sein mochte und sich jetzt womöglich dort herumtrieb.
Victor wirbelte herum; er spürte, wie seine Nackenhaare sich sträubten. Er glaubte, irgend etwas über das Rauschen des Wassers hinweg gehört zu haben. Oder hatte er gar etwas gespürt? Er war sich nicht sicher, was es gewesen sein mochte. Er ließ seinen Blick hastig durch den Raum schweifen, aber da war niemand, und trotz angestrengten Horchens vernahm er nach wie vor nichts als das gleichmäßige Rauschen des Flusses.
Er ging von einem Treppenaufgang zum anderen und suchte nach dem Eingang zum Keller, aber er konnte ihn nicht finden. Er suchte noch einmal, noch sorgfältiger diesmal, wieder ohne Erfolg. Es gab keine Treppe, die nach unten führte. Er ging hinüber zu einer Fensteröffnung, die zur Südseite des Gebäudes zeigte, um nachzuschauen, ob es vielleicht von außen einen Zugang zum Keller gab, aber auch hier blieb seine Suche fruchtlos. Es schien nirgends einen Zugang zum Keller zu geben.
Victor verließ das Gebäude wieder und kehrte zurück zum bewohnten Teil des Chimera-Komplexes, um das Büro für Gebäude- und Grundstücksangelegenheiten aufzusuchen. Mit Hilfe seines Hauptschlüssels verschaffte er sich Zugang und knipste das Licht an. Dann begab er sich sofort in den Aktenraum. Aus einem riesigen Metallschrank suchte er sich die Baupläne von sämtlichen existierenden Gebäuden auf dem Chimera-Gelände heraus. Mit Hilfe des Hauptlageplans fand er nach kurzer Suche die Zeichnungen für den Uhrenturm und zog sie aus dem Stapel heraus.
Die erste Zeichnung war die für das Kellergeschoß. Sie zeigte, wo der Wassertunnel in das Gebäude hineinführte. Innerhalb des Kellers floß das Wasser durch eine mit Holzplanken verschalte Rinne, wo es eine Reihe von Schaufelrädern antrieb, die sowohl vertikal als auch horizontal montiert waren. Der Keller selbst war aufgeteilt in einen zentralen Raum, in dem sich alle Schaufelräder befanden, und eine Anzahl von Nebenräumen. Das Tunnelsystem ging von einem der Seitenräume auf der Ostseite des Kellers aus.
Als nächstes schaute sich Victor den Plan des Erdgeschosses an. Er fand die Treppe, die zum Keller hinunterführte, ohne Probleme. Sie war unmittelbar rechts neben dem zentralen Treppenaufgang. Ihm war schleierhaft, wie er sie hatte übersehen können.
Um sich doppelt abzusichern, machte er sich Kopien von den Plänen des Kellers und des Erdgeschosses. Mit Hilfe des Spezialkopierers, den Chimera eigens für diesen Zweck hatte, verkleinerte er die Kopien auf Aktenblattformat. Mit diesen Kopien kehrte er zum Uhrenturm zurück, fest entschlossen, die Kellerräume zu erkunden.
Victor bahnte sich seinen Weg durch den Müll, der den Fußboden bedeckte, und ging zum mittleren Treppenaufgang. Er stellte sich genau davor und wandte den Blick nach rechts. Er nahm sogar die Kopie des Bauplans zur Hand und hielt sie hoch, um sich noch einmal zu vergewissern, daß er sie auch richtig gelesen hatte.
Victor konnte nicht verstehen, was er falsch machte. Es gab keine Kellertreppe. Er ging sogar auf die andere Seite des Treppenaufgangs, für den unwahrscheinlichen Fall, daß die Blaupausen fehlerhaft waren. Aber auf der anderen Seite gab es ebensowenig eine Kellertreppe.
Als er sich noch mal zu der Stelle begab, wo der Zeichnung nach die Kellertreppe liegen mußte, fiel ihm plötzlich auf, daß dieser Bereich frei war von dem Müll, der den Rest des Fußbodens bedeckte. Er stutzte und bückte sich, um sich die Stelle genauer zu besehen. Sofort fiel
Weitere Kostenlose Bücher