Das Ungeheuer
nichts!« sagte VJ mit Nachdruck.
»Ihr wird eine Zentnerlast vom Herzen fallen, wenn sie es erfährt«, erklärte Victor mit einem Lächeln. »Sie macht sich große Sorgen, daß irgendwas mit dir nicht stimmt, weil du dich nie mit Kindern deiner Altersgruppe befaßt.«
»Ich bin zu beschäftigt, um Räuber und Gendarm zu spielen oder meine Zeit bei den Pfadfindern zu verplempern.«
Victor lachte. »Das kann man wohl sagen! Sie wird jedenfalls überglücklich sein, wenn sie das hier sieht. Wir müssen es ihr gleich erzählen und sie hierherbringen.«
»Ich bin nicht überzeugt davon, daß das eine so gute Idee ist«, erwiderte VJ.
»Doch, ganz bestimmt, glaub mir! Sie wird maßlos erleichtert sein, und ich werde mir nicht länger ihre Vorträge über deine psychische Entwicklung anzuhören brauchen.«
»Ich will nicht, daß irgend jemand von diesem Labor erfährt«, sagte VJ. »Es war ein unvorhergesehener Zufall, daß du es entdeckt hast. Ich wollte dich eigentlich erst in die ganze Sache einweihen, sobald ich das Labor in die neuen Räume verlegt haben würde.«
»Und wo sind die?« fragte Victor.
»Hier in der Nähe«, antwortete VJ. »Ich zeig's dir ein andermal.«
»Aber wir müssen es Marsha sagen«, beharrte Victor. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr sie deinetwegen in Sorge ist. Ich werd' das schon machen. Sie wird es niemandem weitererzählen.«
»Aber es ist ein Risiko«, sagte VJ. »Ich glaube nicht, daß sie von meinen Leistungen genauso beeindruckt sein wird wie du. Sie ist nicht so begeistert von Naturwissenschaft wie wir beide.«
»Sie wird hingerissen sein, wenn sie erfährt, welch ein Genie du bist. Und daß du alles hier quasi allein aufgebaut hast. Es ist einfach außergewöhnlich.«
»Nun, mag sein...« VJ war unschlüssig.
»Vertrau mir!« sagte Victor enthusiastisch.
»Vielleicht muß ich mich in dieser Frage doch deinem Urteil beugen«, meinte VJ. »Du kennst sie besser als ich. Ich kann nur hoffen, du behältst recht. Sie könnte eine Menge Probleme machen.«
»Ich hol' sie jetzt sofort«, sagte Victor, vor Erregung und Ungeduld fast berstend.
»Wie willst du sie hier reinkriegen, ohne daß irgend jemand euch sieht?«
»Heute ist Samstag«, sagte Victor. »Da ist kaum jemand auf dem Gelände, und schon gar nicht so spät am Tag.«
»Okay!« VJ seufzte resigniert.
Victor hastete zur Treppe, fast in Laufschritt verfallend. »Ich bin in einer halben Stunde zurück - spätestens in einer Dreiviertelstunde!« rief er seinem Sohn zu. Er stürmte die Stufen hinauf, dann hielt er inne. Wie er schon vorher bemerkt hatte, endete Treppe vor einem Rechteck aus schweren Holzbohlen.
»Geht's hier nach draußen?« rief er zu VJ hinunter.
»Du brauchst bloß leicht von unten dagegenzudrücken«, erklärte VJ. »Sie hat ein Gegengewicht.«
Victor stieg die restlichen Stufen hinauf und legte die Hand unter die Bohlen. Er drückte zögernd dagegen. Zu seiner Überraschung schwang über ihm eine große Falltür mit erstaunlicher Leichtigkeit auf. Victor warf einen letzten Blick hinunter auf VJ, dann stieg er hinaus. Als er die Falltür losließ, sank sie lautlos zurück über die Öffnung, das Licht von unten völlig abschirmend.
Victor stürmte im Laufschritt aus dem Gebäude. Sein Puls jagte vor Erregung. Seit Jahren hatte er nicht mehr ein derartiges Hochgefühl empfunden.
Zurückgekehrt von ihren beiden bestürzenden Besuchen, hatte sich Marsha erst einmal eine Tasse Tee gemacht. Sie hatte sie gerade in ihr Arbeitszimmer gebracht, wo sie versuchen wollte, ein wenig zur Ruhe zu kommen, als sie Victors Wagen in die Einfahrt einbiegen hörte.
Wenig später steckte er den Kopf zur Tür herein. Er war noch im Mantel. »Ah, da bist du ja, meine Süße!«
Meine Süße? dachte Marsha skeptisch. So hat er mich schon seit Jahren nicht mehr genannt. »Komm rein!« rief sie ihm zu.
Aber Victor war schon im Zimmer. Er packte ihre Hand und versuchte, sie von ihrer Couch hochzuziehen. Marsha stieß ein unwilliges Knurren aus und entwand ihm ihre Hand. »Was soll das? Was hast du vor?«
»Ich muß dir etwas zeigen.«
Marsha gewahrte das erregte Funkeln in seinen Augen. »Was hast du? Was ist los mit dir?«
»Nun komm schon!« drängte Victor und zog sie von der Couch hoch. »Ich habe eine tolle Überraschung für dich! Du wirst begeistert sein!«
»Ich habe auch eine Überraschung für dich, aber eine, von der du bestimmt nicht begeistert sein wirst«, erwiderte Marsha. »Setz dich hin!
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