Das Ungeheuer
nennen«, sagte Marsha.
»Ich habe nie irgend jemandem gedroht«, erwiderte VJ. »Ich ließ sie lediglich wissen, was ich wußte, und dann bat ich sie um einen Gefallen.«
»Ich würde sagen, VJ war recht findig und einfallsreich«, wandte Victor ein. »Doch ich hätte gern diese Liste mit den Betrügern.«
»Tut mir leid«, sagte VJ, »aber ich habe eine Abmachung mit diesen Leuten. Außerdem ist der schlimmste von ihnen, Dr. Gephardt, bereits von der IRS entlarvt worden. Die Ironie dabei war, daß er dachte, ich hätte dahintergesteckt.« VJ lachte.
Ein Ausdruck plötzlichen Begreifens trat auf Victors Gesicht. »Jetzt versteh' ich. Gephardt richtete die Botschaften an dich, als er den Ziegelstein durchs Fenster schmiß und die arme Kissa tötete.«
VJ nickte. »Der Narr!«
»Ich will hier raus!« sagte Marsha unvermittelt, sowohl Victor als auch VJ überraschend.
»Aber es gibt noch mehr zu sehen«, erklärte Victor.
»Das glaube ich sofort«, erwiderte Marsha, »aber für den Moment habe ich genug gesehen. Ich will jetzt hier raus.« Sie schaute nacheinander Victor und VJ an, dann ließ sie den Blick durch den Raum schweifen. Sie fühlte sich entschieden unwohl. Der Ort machte ihr angst.
»Es gibt auch noch Wohnräume...«, sagte Victor, auf das westseitige Ende des Raums deutend.
Marsha ignorierte seine Geste. Sie ging zur Treppe und begann hinaufzusteigen.
»Ich habe gleich gesagt, es ist besser, wenn wir sie da raushalten«, zischelte VJ seinem Vater zu.
Victor legte eine Hand auf seine Schulter und flüsterte zurück: »Keine Sorge, ich mach' das schon!« Dann rief er Marsha zu: »Warte, ich komme mit!«
Marsha ging unbeirrt weiter bis zum Ende der Treppe und drückte gegen die Falltür. Sie schwang auf. Sobald Marsha aus dem Keller heraus war, stolperte sie blind quer durch den müllübersäten Raum zum Ausgang. Als sie die Tür erreichte und die frische Luft ihr entgegenschlug, verspürte sie eine Woge der Erleichterung.
»Marsha, um Himmels willen!« rief Victor, als er sie eingeholt hatte. Er faßte sie am Arm und drehte sie zu sich um. »Wo willst du hin?«
»Nach Hause!« Sie riß sich los und stapfte entschlossen weiter. Aber Victor holte sie ein und stellte sie erneut.
»Warum verhältst du dich so?« fragte er.
Marsha gab keine Antwort. Statt dessen beschleunigte sie ihren Schritt. Sie rannten jetzt praktisch nebeneinander her. Als sie Victors Auto erreichten, riß sie die Tür auf und stieg ein.
Victor stieg auf seiner Seite ein. »Du willst also nicht mit mir reden?« fragte er in gereiztem Ton.
Marsha biß die Zähne aufeinander und starrte geradeaus. Sie fuhren in gespanntem Schweigen nach Hause.
Zu Hause angekommen, goß sich Marsha als erstes ein Glas Weißwein ein.
»Marsha«, unternahm Victor einen erneuten Anlauf, »warum verhältst du dich so? Ich dachte, du wärst genauso begeistert wie ich, besonders, nachdem du solche Angst hattest, daß VJs Intelligenz erneut nachlassen könnte. Ganz offensichtlich ist der Junge in bester Verfassung. Er ist so klug wie eh und je.«
»Das ist es ja«, versetzte Marsha in scharfem Ton. »VJs Intelligenz ist enorm, und das jagt mir Angst ein. Dem Labor nach zu urteilen, muß seine Intelligenz immer noch im Bereich des Genialen angesiedelt sein, würdest du nicht auch meinen?«
»Ganz eindeutig«, sagte Victor. »Ist das nicht wunderbar?«
»Nein!« stieß Marsha scharf hervor. Sie stellte ihr Weinglas auf dem Tisch ab. »Wenn er immer noch ein Genie ist, dann muß diese ganze Geschichte mit seinem plötzlichen Intelligenzschwund eine Farce gewesen sein. Er hat uns die ganze Zeit was vorgegaukelt. Er war sogar clever genug, um meine psychologischen Tests zu überlisten, bis auf diese Validitätsskala. Victor, sein ganzes Leben mit uns ist ein Schwindel. Nichts als eine einzige große Lüge.«
»Vielleicht gibt es noch eine andere Erklärung«, sagte Victor. »Vielleicht ist seine Intelligenz tatsächlich gesunken und dann wiedergekommen.«
»Ich habe erst diese Woche noch einen IQ-Test durchgeführt«, erwiderte Marsha. »Er hat immer um die hundertdreißig herum gelegen, seit er dreieinhalb war.«
»Okay«, sagte Victor, nun seinerseits ein wenig gereizt. »Aber allein wichtig ist doch, daß VJ in Ordnung ist und wir uns keine Sorgen um ihn zu machen brauchen. Tatsächlich ist er sogar sehr in Ordnung. Er hat dieses Labor ganz allein eingerichtet. Sein IQ muß weit höher als hundertdreißig sein. Und das bedeutet, daß mein
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