Das Ungeheuer
der Eingangstür befand sich ein runder Tisch mit sechs Stühlen. VJ machte seinem Vater ein Zeichen, Platz zu nehmen.
Victor zog einen der Stühle unter dem Tisch hervor und setzte sich. Philip ließ sich schweigend ein paar Stühle weiter nieder.
»Möchtest du was trinken? Heißen Kakao oder Tee?« fragte VJ, den Gastgeber spielend. »Wir sind bestens ausgestattet.«
»Ich glaube, du solltest mich jetzt mal allmählich aufklären, was hier eigentlich vor sich geht.«
VJ nickte, dann begann er leise zu erzählen. »Wie du weißt, habe ich mich von dem Tag an, als du mich zum ersten Mal zu Chimera mitgenommen hast, für die Dinge interessiert, die du in deinem Labor gemacht hast. Das Problem war nur, daß keiner mir erlaubte, irgendwas anzufassen.«
»Natürlich nicht«, sagte Victor. »Du warst schließlich noch ein kleines Kind.«
»Ich fühlte mich aber nicht wie ein kleines Kind«, erwiderte VJ. »Es versteht sich von selbst, daß ich schon früh zu der Überzeugung gelangte, daß ich ein eigenes Labor brauchte, wenn ich in der Lage sein sollte, irgendwas zu machen. Ich fing klein an, aber der Platz reichte bald nicht mehr aus, da ich immer mehr Geräte benötigte.«
»Wie alt warst du, als du angefangen hast?« wollte Victor wissen.
»Das war vor ungefähr sieben Jahren«, sagte VJ. »Da war ich drei. Es war überraschend einfach, das Labor einzurichten; schließlich hatte ich ja Philip mit seinen Muskelpaketen.« Philip lächelte stolz. VJ fuhr fort: »Zuerst war ich in dem Gebäude neben der Cafeteria. Aber dann war auf einmal die Rede davon, daß es möglicherweise renoviert werden sollte, also schafften wir alles hierher in den Uhrenturm. So, jetzt kennst du mein kleines Geheimnis.«
»Du hast dieses Labor also schon seit sieben Jahren?« fragte Victor verblüfft.
VJ nickte. »Ungefähr.«
»Aber warum?« fragte Victor.
»Um ernsthaft und ungestört forschen zu können«, sagte VJ. »Dadurch, daß ich immer in deinem Labor war und dir bei der Arbeit zuschaute, wurde mein Interesse an den Möglichkeiten der Biologie geweckt. Es ist die Wissenschaft der Zukunft. Ich hatte ein paar eigene Ideen, wie die Forschung durchgeführt werden sollte.«
»Aber du hättest in meinem Labor arbeiten können«, sagte Victor.
»Unmöglich!« erwiderte VJ mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Ich bin zu jung. Keiner hätte mich das machen lassen, was ich gemacht habe. Ich brauchte absolute Freiheit von Einschränkungen, von Vorschriften, von hilfreichen Händen. Ich brauchte meinen eigenen Raum, und ich kann dir versichern, es hat sich ausgezahlt - mehr, als du dir in deinen kühnsten Träumen ausmalen kannst. Ich bin ganz wild darauf, dir zu zeigen, woran ich seit nunmehr mindestens einem Jahr arbeite. Du wirst von den Socken sein.«
»Du kannst also gewisse Erfolge vorweisen?« fragte Victor zögernd, plötzlich neugierig geworden.
»Diverse erstaunliche Durchbrüche wäre die treffendere Bezeichnung«, erwiderte VJ. »Du könntest ja mal versuchen zu raten.«
»Da müßte ich wohl lange raten«, sagte Victor.
»Da bin ich gar nicht so sicher. Ich könnte mir denken, daß du schneller draufkämst, als du glaubst. Eines der Projekte ist etwas, an dem du selbst auch gearbeitet hast.«
»Ich habe schon an einer Menge Projekte gearbeitet«, erwiderte Victor ausweichend.
»Paß auf!« sagte VJ. »Meine Vorstellung ist die, daß dir das Verdienst für die Entdeckungen zugeschrieben wird, so daß Chimera sie patentieren lassen und den Nutzen aus ihnen ziehen kann. Wir wollen nicht, daß irgend jemand erfährt, daß ich überhaupt irgendwas mit der ganzen Sache zu tun habe.«
»So wie bei dem Wettschwimmen?« fragte Victor.
VJ lachte herzhaft. »Ja, so ähnlich. Ich ziehe es vor, mich im Hintergrund zu halten und wenn möglich keine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Ich will nicht, daß irgend jemand neugierig wird, und das werden die Leute in der Regel, wenn sie es mit einem Wunderkind zu tun haben. Mir wäre lieber, wenn du die Lorbeeren einheimst. Chimera kriegt dann das Patent. Man könnte sagen, du bekommst meine Forschungsergebnisse gewissermaßen als Entschädigung dafür, daß du mir die Räumlichkeiten und die Ausrüstung gestellt hast.«
»Gib mir mal einen Wink, damit ich mir eine ungefähre Vorstellung machen kann, was du da erforscht hast!«
»Also, zuerst einmal habe ich das Geheimnis der Implantation eines befruchteten Eis in einen Uterus gelöst«, sagte VJ stolz. »Solange die Zygote
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