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Das Unglück der kleinen Giftmischerin

Titel: Das Unglück der kleinen Giftmischerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Wulff
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Monaten hätten sie zum ersten Mal miteinander geschlafen. Das sei ihm bei ihr gar nicht eilig gewesen, Lisa war noch Jungfrau und er hätte eben gewartet, bis sie innerlich so weit gewesen sei. Schließlich war es für ihn ganz anders als sonst, viel schöner: Vielleicht weil es aus Liebe war, sagte er, eine große und ganz einträchtige Liebe. Nur ein Mal hätten sie eine kleine Auseinandersetzung gehabt: Ihr hätte er schon nach sechs Wochen gesagt, dass er Kurde sei und eigentlich Yüllan heiße, doch als sie irgendwann darauf bestand, das auch ihren Eltern zu offenbaren, hätte er gezögert und es hätte einen kleinen Wortwechsel gegeben, den unglücklicherweise ihr Vater belauschte. Der hätte ihn dann angeschrien, ihn aus dem Hause gewiesen und ihm ein dauerndes Hausverbot erteilt. Lisa, die ihrem Vater ihr Leben lang gehorcht habe, hätte sich auch diesmal von ihm beeinflussen lassen. So hätte er sie eine Zeit lang nicht mehr gesehen. Aber schon nach zwei Monaten hätten sie heimlich miteinander telefoniert und sich bald danach auch insgeheim wieder getroffen, zumeist bei Yüllans Eltern oder Verwandten. Schließlich hätte sie den Mut gefunden, ihren Eltern zu sagen, dass sie wieder zusammen seien. Aber zu ihr nach Hause hätte er weiterhin nicht gedurft. Als auch seine Eltern Lisas Besuche nicht mehr dulden wollten, hätten sie sich eine gemeinsame Wohnung genommen. Da sei alles wieder so schön, so harmonisch geworden wie vorher. Aus für ihn unerfindlichen Gründen sei Lisa dann aber eines Sonntags, während er seine Eltern besuchte, ausgezogen. Am Telefon hätte sie ihm gesagt, dass ihr Vater das von ihr verlangt hatte. Überhaupt habe er herausbekommen, dass ihr Vater die ganze Zeit gegen ihn intrigiert hätte. Er hätte sogar eine Schlägerbande angeheuert, die ihm mehrmals nachgefahren sei. Zwei Mal hätten sie neben ihm gehalten und ihn mit dem Tode bedroht, wenn er von Lisa nicht ablasse. Er hätte in der Zeit immer wieder versucht, mit Lisa telefonisch Kontakt aufzunehmen, sei aber niemals durchgekommen. So hätte er sich dazu entschlossen, sie in ihrer Mittagspause in der Arztpraxis aufzusuchen, ihr zu sagen, dass er sie immer noch liebe, und sie zu bitten, zu ihm zurückzukehren. Aus Angst vor der vom Vater angeheuerten Schlägerbande hätte er sich allerdings schon vor einiger Zeit eine Pistole besorgt, die er seitdem immer mit sich herumgetragen habe, auch bei jenem Besuch in der Arztpraxis. Dort angekommen, sei Lisa ihm um den Hals gefallen und habe ihm gesagt, wie sehr sie ihn liebe. Dann seien plötzlich die bewaffneten Schläger an der Tür aufgetaucht und hätten ihn mit ihren Pistolen bedroht. In panischer Angst habe er auf sie geschossen, aber mit Sicherheit nicht auf Lisa und auch nicht auf ihre Kollegin. Danach sei er, ohne zu wissen wohin, in der Gegend herumgefahren und schließlich, er wisse nicht wie, in der Wohnung seiner Eltern gelandet. Die hätten ihm gesagt, dass er von der Polizei gesucht würde und sich stellen solle. Da er in Notwehr gehandelt habe, also unschuldig sei, hätte er das auch getan.
    Aus den Polizeiakten wusste ich, dass Lisas Eltern, Geschwister und Freundinnen die Geschichte von Yüllans Beziehung zu Lisa völlig anders geschildert hatten. Yüllan hätte ihnen den Italiener Roberto zunächst außerordentlich wirklichkeitsnah und überzeugend vorgespielt. Zu Weihnachten hätte er erzählt, die Eltern und Geschwister seien für die Feiertage nach Italien gefahren, nur er hätte wegen seiner Arbeitsverpflichtungen hier Zurückbleiben müssen. Damit erreichte er, dass Lisas Eltern ihn für Heiligabend nach Hause einluden. Und als ihm während einer Autofahrt die Mütze von Kopf geweht wurde, war er untröstlich, weil sie das letzte Geschenk der kürzlich verstorbenen Parmaer Großmutter gewesen sei. Erste Zweifel kamen auf, als er auf einer Gesellschaft auf Italienisch angesprochen wurde und nicht zu antworten wusste, aber auch da hatte er eine Erklärung parat: Er sei eben in Deutschland aufgewachsen, von den Eltern hätte er nur ein sehr schlechtes, bruchstückhaftes Italienisch in ihrem Dialekt gelernt, sie hätten mit ihm nur Deutsch gesprochen, weil sie wollten, dass er hier heimisch würde. Ganz wurde ihm nicht geglaubt, aber Lisas Eltern ließen es zunächst noch nicht auf eine Konfrontation ankommen. Zu dieser kam es erst bei dem von Yüllan berichteten Streit.
    Zu diesem Streit waren Lisas Familie und Freundinnen auch befragt worden. Lisa hatte ihnen

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