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Das Unglück der kleinen Giftmischerin

Titel: Das Unglück der kleinen Giftmischerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Wulff
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herumknutschen sah; wie sie ihn beim Schützenfest mit der Frau eines Kollegen hinterm Zelt beim Geschlechtsverkehr ertappte. Die Erniedrigung, die sie dabei empfand, wurde für mich bei der Vergegenwärtigung solcher Szenen, spürbar, eine Erniedrigung, die sie jedes Mal hinunterschluckte, wenn sie ihm wieder einmal verzieh. Danach, sagte sie, hätte er seine Seitensprünge auf die dreijährlichen Kuraufenthalte verlagert, zwischendurch hätte sie mehr oder weniger Ruhe gehabt. Dafür aber wusste sie ganz genau, wenn er zur Kur fährt, geht es wieder los. Bei seiner Rückkehr fand sie zumeist kompromittierende Briefchen oder Telefonnummern in seinen Taschen, denn er machte sich noch nicht einmal die Mühe, diese zu vernichten. Sprach sie ihn darauf an, schwor er jedes Mal, dass er nur sie liebe, brachte ihr Blumen und Geschenke mit, so dass sie ihm immer wieder nachgab. Auch wenn sie sich einmal vornahm, eine Weile nicht mit ihm zu schlafen, hätte er sie schnell wieder rumgekriegt, sie hätte ihm einfach nicht widerstehen können. Er hätte gesagt, er bräuchte einfach von Zeit zu Zeit eine andere Frau, und sie hätte ihm das schließlich sogar zugebilligt, unter der Bedingung, dass er mit diesen Frauen keine ganzen Nächte verbringe.
    Zur einzigen länger dauernden Verstimmung sei es gekommen, als sie herausfand, dass er während einer mehrwöchigen Montage in einer 500 Kilometer entfernten Großstadt bei einer Frau richtig eingezogen war: Da hätte sie sich sogar scheiden lassen wollen. Aber wieder hätte er es nach einiger Zeit fertig gebracht, sie zurückzugewinnen.
    Dieses Hin und Her hatte offenbar zu ihrem Ehealltag gehört, vielleicht hatte es sogar geholfen, die sexuelle Spannung zwischen ihnen aufrechtzuerhalten. Aber die Demütigungen, die für sie damit einhergingen, hatten sich in den drei Jahrzehnten auch immer mehr angehäuft, die Demütigung, dass ihr Mann andere Frauen attraktiver fand als sie, und die Demütigung, die in ihrer sexuellen Hörigkeit ihm gegenüber bestand: dass sie sich ihm, auch wenn sie es sich fest vorgenommen hatte, nicht verweigern konnte. Erst als er schließlich nur wenige Häuser von dem ihren entfernt bei seiner neuesten Freundin einzog, die auch noch zehn Jahre älter als sie war, machte Frau Minkat ihren ersten - und einzigen - Ausbruchsversuch. Sie suchte über Zeitungsanzeigen Kontakte, schlief probeweise mit den so kennen gelernten Männern und ließ sich mit einem von ihnen, mit dem sie gefühlsmäßig und sexuell harmonierte, auch auf eine mehrmonatige Beziehung ein. Diese Beziehung brach sie aber ab, als ihr Mann ihr in Aussicht stellte, wieder zu ihr zurückzukehren. Mir sagte sie, dass sie für diesen Freund so intensive Liebesgefühle wie für ihren Mann niemals hätte empfinden können. Der kam tatsächlich zu ihr zurück, sie schlief wieder mit ihm, aber schon nach ein paar Tagen verschwand er unter dem Vorwand, er wolle nur den Hund für fünf Minuten spazieren führen, zu Frau Buttermann, seiner Freundin.
    Sie war verzweifelt, flehte ihn an, mit seiner Geliebten wenigstens an einen anderen Ort zu ziehen, damit sie unterwegs zur Arbeit nicht jedes Mal sein Auto auf ihrem Hof stehen sehen und so ständig an ihre Demütigung denken müsste. Er wäre dazu bereit gewesen, sagte sie, Frau Buttermann aber, die ihr Häuschen gerade abbezahlt hatte, wollte dieses nicht aufgeben. Noch ein letztes Mal zog er nach einem Streit mit Frau Buttermann wieder zu Hause ein, aber auch diesmal dauerte das wieder gefundene Eheglück nur wenige Tage, dann war er wieder bei seiner Freundin. Als sie die beiden kurze Zeit später auf dem Schützenfest beieinander sitzen sah und sich wutentbrannt auf ihn stürzte, ihn hochriss und schrie: »Jetzt kommst du mit«, da hätte die Buttermann ihre Hand ergriffen und sie in den Finger gebissen. Ihr Mann hätte sie zwar verbunden, sei danach aber gleich gegangen.
    Trotz dieser Kränkungen beanspruchte Frau Minkat, wenn schwere körperliche Arbeiten an ihrem Haus anstanden, weiterhin die Hilfe ihres Mannes. Bei einer solchen Gelegenheit schlief er noch einmal mit ihr, war danach allerdings, ganz anders als sonst, gereizt und unleidlich und erklärte, sie solle ihn endlich in Ruhe lassen, sie ekele ihn an. Seit diesem Augenblick hätte allein der Gedanke an seine Existenz ihr einen immer unerträglicheren Schmerz bereitet, und einige Zeit später hätte sie angefangen zu überlegen, wie sie ihn umbringen könne: Sie hätte gewusst, das sei das

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