Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)
an ihrem Hals fühlte. Eine Hand glitt über ihr Schlüsselbein, ihre Schulter und ihren Leib hinab, strich über ihre Brüste. Sie unterdrückte einen Schmerzenslaut, als grobe Finger ihre rechte Brustwarze zusammenpressten. Vor ihren Augen hatte sie das Bild des riesenhaften Mannes, der sie überfallen hatte. Ihr Körper spannte sich unter den Berührungen an und sie versuchte, mit purer Willenskraft ihre krampfhafte Haltung zu lösen – in der Erwartung, bald ihre Beine auseinander gedrängt zu fühlen. Sie wollte entspannt liegen, um sich wenigstens einen Teil der zweifellos kommenden Schmerzen zu ersparen.
Überrascht schreckte sie zurück, als die Berührung abrupt aufhörte und ihr die Augenbinde vom Kopf gerissen wurde. Das plötzliche Licht stach in ihre Augen. Sie blinzelte verzweifelt die Tränen fort und versuchte, ihren Peiniger zu erkennen. Da er aber mit dem Rücken zum Licht stand, konnte sie nur scherenschnittartig einen Umriss sehen – der sicher nicht der des Mannes war, der sie auf der Straße attackiert hatte.
Sie war nicht geknebelt, doch selbst wenn ihr die Kehle vor Angst nicht zugeschnürt gewesen wäre – was sollte man in so einer Situation schon sagen? Sie wollte nicht um eine Gnade betteln, die man ihr ohnehin nicht gewähren würde.
Der Schatten legte eine vernarbte Hand an ihre Wange, zeichnete die Konturen ihres Gesichtes nach.
„Tochter von Esser“, flüsterte er. „Immer hört man, wie überragend schön ihr Klone seid, und dann liegst du hier, so unscheinbar.“
Wieder wanderte seine Hand ihren Hals hinab und Niove schloss die Augen, wollte das Gesicht des Mannes nicht kennen, das sich nun ins Licht schob. Die Hand verschwand, und kurz darauf fühlte sie etwas Kaltes, Glattes an ihren Lippen. Gegen ihren Willen blickte sie auf und sah das mit schwarzen Narben übersäte Gesicht des Mannes. Sah das Messer, dessen Spitze auf ihrem Mund ruhte.
„Kleines unscheinbares Wesen. Wir werden aus dir ein Kunstwerk machen, mit Ornamenten, wie du sie noch nie gesehen hast.“
Niove spürte einen kurzen Schmerz an ihrem Bein und wandte ihren Blick von dem Mann ab, nur um am Fuß der erhöhten Fläche, auf der sie lag, eine Frau stehen zu sehen. Ihr Gesicht war eine einzige große Narbe, das eine darin verbliebene Auge sah boshaft auf sie herab. Von der Klinge, die sie hochhielt, tropfte Blut.
Nioves Blut.
Aus den Augenwinkeln nahm sie Bewegungen wahr, und als sie sich umsah, bemerkte sie drei weitere Personen, die, ebenfalls mit Messern bewaffnet, auf sie zugetreten waren.
Sie versuchte, die Panik in sich niederzukämpfen. Versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie sie ihr Leben danach weiterleben würde. Ob sie weiterleben würde. Versuchte nicht an den Schmerz zu denken, der kommen würde, und schwor sich, nicht zu schreien.
Die Klingen drangen in sie ein, waren überall. Und bald schrie sie doch. Schrie, bis die Ohnmacht sie zu sich holte.
Haron hatte es gewusst. Er hatte gewusst, dass etwas schiefgehen, dass einer zu weit gehen würde. Er hatte dabei auf Ariat oder Maretha getippt, weshalb er während der ganzen Zeit ein Auge auf die beiden geworfen hatte. Sich zurückgehalten hatte.
Anfangs war alles nach Plan gelaufen. Die junge Frau hatte Angst und nicht den Willen, den Schmerz als Teil von sich zu akzeptieren, aber damit hatte er gerechnet. Die Schnitte waren überlegt, kalkuliert. In Gedanken fügte er sie bereits zu Mustern zusammen.
Als Tiriot ein Ohr abtrennte, warf sich die Frau zuckend herum, was Harons eigene Klinge unbeabsichtigterweise in ihren Arm stieß. Die Wunde war tief, aber schmal, und schien keine Arterie verletzt zu haben – also kümmerten sie sich nicht weiter darum.
Irgendwann wurde die Frau still, ihr Puls ging unregelmäßig. Er überlegte, ob sie warten sollten, bis sie wieder einigermaßen stabilisiert war, ehe sie weiter machten. Sie hatten bei weitem noch nicht das Maß an Zerstörung erreicht, das ihm vorgeschwebt war.
Während er sich zurückzog, brach Hemmon jedoch die Abmachungen. Berauscht von dem Blut und der nackten Hilflosigkeit der Frau, riss er sich selbst die Kleider vom Leib und kroch auf den Tisch. Maretha und Ariat wichen zurück, als Hemmon sich grunzend auf dem blutverschmierten Körper bewegte, unsicher, ob er das mit Harons Einverständnis tat. Tiriot dagegen sah nur zu, gebannt von der Erregung, die ihn selbst bei diesem Anblick ergriffen hatte.
Und dann war es Haron selbst, der die Kontrolle verlor. Im Nachhinein
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