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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Puljic
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konnte er nicht genau sagen, wie es passiert war, aber plötzlich sah er nicht mehr das bewusstlose Gesicht dieses fremden Klons, sondern seine Sianna. Sianna, die dank seinem Opfer frei war und einen anderen gefunden hatte. Die sich lustvoll aufbäumte, während der andere in sie eindrang.
    Und mit einem Mal war ihm klar, dass er mit diesem Gedanken nicht leben konnte. Ehe er es verhindern konnte, hatte er sein Messer in die Kehle der Frau gerammt, die nun wieder eindeutig nicht Sianna war. Schockiert sahen die anderen ihn an, ebenso erschrocken starrte er auf seine eigene leere Hand und das Messer, unter dem jetzt gurgelnd das Blut der Frau hervorschoss.
    Ihre Augen waren weit aufgerissen, das Grün darin ein sterbender Kontrast zu all dem Rot. Die Ohnmacht hatte sie freigegeben, um ihr einen letzten Augenblick der Qual aufzuzwingen, bevor das Leben sie verließ und der Tod sie für sich beanspruchte. Ihr Körper bebte. Das nasse Röcheln, das aus ihrem Hals drang, klang in dem Schweigen der Anwesenden übermäßig laut. Dann lag sie still, der blutige Beweis seines Versagens.
     
    Minutenlang wagte niemand, auch nur einen Muskel zu rühren oder einen Laut von sich zu geben. Selbst Hemmon, dem das Blut der jungen Frau am gesamten Körper klebte, machte keine Anstalten, seine Blöße zu bedecken.
    Schließlich atmete Haron hörbar aus. Es war kein Seufzen, nur der Versuch, mit der angesammelten Luft auch seine Emotionen aus seinem Körper zu pressen. Besser fühlte er sich dadurch aber nicht. Er würde eine Erklärung für sein Handeln liefern müssen, und zwar bald. Eine, die ihn wie einen kaltblütigen Anführer aussehen ließ und nicht wie das unberechenbare menschliche Wrack, als das er sich fühlte. Vielleicht, dass er nur hatte verhindern wollen, dass Hemmon ein Halbblut zeugte mit diesem Klon. Aber keines der Argumente, die er im Kopf mühsam zusammensuchte, klang auch nur im Geringsten überzeugend. Die Erklärung würde warten müssen. Im Augenblick fühle er sich nur erschöpft. Er war zu müde, um die Enttäuschung vorzuspielen, die angebracht wäre, hätte nicht er, sondern einer seiner Leute die Mission zunichtegemacht.
    Mit einer Kopfbewegung forderte er sie auf, zu gehen, achtete aber nicht weiter darauf, ob sie seinem Befehl Folge leisteten. Langsam schritt er auf den Tisch zu, von dem sie alle zurückgewichen waren, und zog beinahe behutsam das Messer aus dem Hals, in dem es bis zum Anschlag steckte. Das feuchte, schmatzende Geräusch, das dabei entstand, krampfte seinen Magen zusammen. Am liebsten hätte er sich hier und jetzt übergeben, nur die Unterdrückung körperlicher Bedürfnisse, die jeder Arbeiter von Kindesbeinen an lernen musste, ersparte ihm dieses Malheur.
    Mit übermäßig sorgsamen Bewegungen begann er, die Klinge abzuwischen. Der Geruch des Blutes ließ ihm zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder würgen, doch auch diesen Reflex konnte er zurückdrängen, bis seine Leute den Raum verlassen hatten.
    Erst dann gestattete er seinen Beinen nachzugeben und sank neben der Toten zu Boden.
    Was sollte er jetzt tun? Sie wie geplant einfach auf der Straße auszusetzen war nicht mehr möglich. Sie verschwinden lassen? Das war wohl die sicherste Lösung, aber anschließend müssten sie dasselbe Risiko noch einmal eingehen, um den Aufstand voranzubringen. Und möglicherweise würde ein weiteres Mal überhaupt nicht stattfinden – selbst wenn sie dieses Missgeschick vor den anderen verheimlichen konnten, war er nicht sicher, ob sein eigenes Team noch einmal mitmachen würde, nachdem sie gesehen hatten, wie es dieses Mal geendet hatte.
    Die andere Möglichkeit war, sie an einem prominenten Platz abzulegen, blutig und geschunden, wie sie war. Irgendwo, wo sie unter Garantie gefunden wurde. Es aussehen lassen, als wäre es von Anfang an nicht anders geplant gewesen. Dadurch würden die Ereignisse ins Rollen gebracht werden, aber die Reaktion, die sie dadurch in der oberen Schicht hervorriefen, würde wahrscheinlich massiver ausfallen, als die Reinen im Augenblick verarbeiten konnten.
    Und er konnte nicht vorhersehen, ob die Reinen nach diesem Mord wirklich noch hinter ihm stehen und ihn nicht den Klonen ausliefern würden, sollten diese nach Rache verlangen. Auch wenn er daran ernsthaft zweifelte. Klone waren schließlich keine Menschen.
    So oder so war seine Position innerhalb der Unterstadt gefährdet. Rief er zu einer Revolution auf, die nicht stattfand, würde er bald kein offenes

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