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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Puljic
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Verfolgungsjagd verzichtet hatte. Dann jedoch war er plötzlich aufgeflogen, hatte den Raum einmal umrundet und war in vollem Tempo auf das Fenster zugerast.
    Esser hatte aufgeschrien, aber selbst wenn sein Ruf nicht bereits zu spät gekommen wäre, hätte der Vogel wohl kaum innegehalten. Einen blutigen Fleck an der Scheibe zurücklassend, fiel Karill zu Boden, das zarte Genick gebrochen.
    Er hatte sich das Verhalten des Tieres nicht erklären können, hatte den kleinen Körper in seinen Händen geborgen und anschließend in eine gefütterte Schachtel gebettet. Niove würde ihren Freund ordnungsgemäß bestatten wollen.
    Doch ehe er hinauffahren und seine Tochter wecken konnte, kam der Anruf – und plötzlich machte der Selbstmord des Spatzen Sinn.
    Es war Errans Stimme, die aus dem Lautsprecher kam, auch wenn sie derart belegt war, dass sie völlig fremd klang. Esser hatte seinen Sohn noch nie so aufgewühlt gehört. Das unzusammenhängende Gestammel wurde immer wieder durch leise Schluchzer unterbrochen, sodass es fast eine Minute dauerte, bis Esser einige wenige Silben und Worte identifizieren konnte.
    „Junge, beruhige dich doch! Was ist geschehen? Eine Leiche sagst du? Wo?“
    Ein rasselndes Seufzen klang aus dem Gerät. Dann kam einigermaßen verständlich Errans Antwort. „Direkt vor dem Center. Sie haben sie einfach hingeworfen, die Kamera hat es aufgezeichnet, und … Vater, das ganze Blut …“
    Esser wurde aus dem Gestammel seines Sohnes immer noch nicht klug. Natürlich war es schrecklich, wenn jemand auf offener Straße einen Toten ablegte, und das auch noch genau vor dem Center. Aber auch Erran war Wissenschaftler, das war sicher nicht die erste Leiche, die er zu Gesicht bekommen hatte. Da das beunruhigende Schluchzen nun zu einem angestrengten Keuchen abgeebbt war, versuchte er sein Glück noch einmal.
    „Sag doch, was dich so erschüttert hat, Junge! So habe ich dich noch nie erlebt. Das kann doch nicht allein an einer Leiche liegen, die jemand auf die Straße …“
    „Vater, es ist Niove!“, drang es voller Verzweiflung aus dem Lautsprecher.
    Ohne Vorwarnung verließ ihn seine Kraft. Die Schachtel mit dem leblosen Spatz glitt ihm einfach aus der Hand, schlug unbeachtet auf dem Boden auf. Esser stolperte rückwärts, versuchte nach einem Halt zu greifen.
    „Was?“, flüsterte er. Seine heisere Frage konnte unmöglich durch die Leitung gedrungen sein, aber unbarmherzig erklang daraus weiter Errans Stimme.
    „Sie war schrecklich zugerichtet. Ohne ihren Chip hätte sie nicht einmal identifiziert werden können. Um halb fünf Uhr in der Früh wurde die Leiche gefunden, scheinbar hat man sie nur wenige Minuten zuvor dort abgelegt. Sie sagen, es gibt Anzeichen für eine Vergewaltigung. Es fehlen Körperteile. Es muss Stunden gedauert haben, um sie so …“
    Endlich gaben Essers Beine unter seiner Schwäche nach und er brach zusammen.
    Orson G. Esser, der sich sein Lebtag lang bester Gesundheit erfreut hatte, dankte der Ohnmacht, die über ihn hereinbrach und die Stimme seines Sohnes ausblendete.
     
    Ein merkwürdig distanzierter Schmerz in seinem Arm weckte ihn. Alles um ihn herum schien weich, weiß und unwirklich. Selbst die Person, die nun die metallene Nadel aus seiner Armbeuge zog, fiel unter diese Beschreibung. Langsam aber stabilisierte sich das Pochen in seiner Brust und das Pulsieren in seinem Blickfeld ließ nach. Esser sah seine Familie an seinem Bett versammelt.
    Zarail hielt seine Frau Irela umfasst, Erran griff nach der Hand seines Vaters. Etwas abseits sah er Jerena, ihr geliebtes Gesicht lächelnd, und an ihrer Seite Niove. Etwas daran sah nicht richtig aus, denn seine Tochter schien nur wenige Jahre jünger zu sein als seine Frau. Aber er verwarf den unbequemen Gedanken. Seine Familie war hier, und er war glücklich.
    Er drückte schwach Errans Hand und lächelte ihn an. Die drei an seinem Bett wirkten müde, ausgezehrt. Ob sie sich zu viele Sorgen um ihn gemacht hatten? Wieder sah er zu den beiden Frauen, die so zufrieden schienen. Ein leichtes Schimmern ging von ihnen aus. Wenn er genau hinsah, konnte er den hinter ihnen stehenden Tisch durch sie hindurch erkennen. Er wollte etwas zu ihnen sagen, aber sie begannen zu verblassen. Immer noch lächelnd verließen sie ihn, und endlich verstand er die Trauer in den Augen der anderen.
    Die Erinnerung kehrte zurück, und mit ihr der Schmerz. Es war ein Trugbild gewesen, weiter nichts. Und zum ersten Mal in seinem von Wissenschaft

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