Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)
„Entschuldige, Meister. Es war keineswegs meine Absicht, dich aufzuhalten. Aber es gibt gewisse … Entwicklungen, die in letzter Zeit vor sich gehen und die mir Sorgen machen. Ich hatte gehofft, sie mit jemandem besprechen zu können, der mir sagen kann, ob ich mir grundlos Gedanken mache.“
Immer noch musterte ihn der Priester mit Blicken, die nicht klar machten, ob er eine Gefahr oder eine lästige Störung in ihm sah. Nach langem Überlegen fragte er: „Und welche Ereignisse meinst du?“
Atlan wusste nicht, wie der alte Priester auf Vorwürfe reagieren würde, die Abtei hätte geheime Absprachen mit einer Untergrundgruppe getroffen. Daher griff er nach dem einzig halbwegs haltbaren Fakt, den er in Händen zu halten glaubte: die merkwürdigen Umstände von Serus frühzeitigem Tod.
„Ich glaube nicht, dass Meister Seru unter natürlichen Bedingungen gestorben ist.“
Kaum hatte er diesen Satz ausgesprochen, zuckte er zusammen unter der Heftigkeit, mit der der Ältere die Türen aufriss. „Was sagst du? Seru ist tot? Wieso hat man uns nicht verständigt?“
Innerlich atmete Atlan auf. Er war nicht sicher gewesen, ob die Gebetsstätten darüber informiert hätten werden müssen. Aber da das Kloster und seine Gebetsstätten eng miteinander verknüpft waren, waren alle Häuser von den Änderungen in der Abtei betroffen. Dass nicht nur Atlans Gebetshaus nichts vom Tod des Abtes erfahren hatte, machte Lorios Verhalten nur noch verdächtiger.
Als Atlan nickte, fand er endlich den erhofften Einlass.
„Wir haben nicht viel Zeit, Junge. Du solltest dich ebenfalls bald auf den Weg machen. Erzähl mir, was du weißt, alles Weitere können wir ein anderes Mal in Ruhe besprechen.“
Die wenigen Minuten, die Atlan für dieses Gespräch gegönnt waren, bestätigten seine Vermutung. Etwas ging nicht mit rechten Dingen zu hinter den Mauern der Abtei. Selbst seine Andeutung, die Reinen könnten in gewisse Vorfälle verwickelt sein, wurde nachdenklich, aber keineswegs ablehnend angehört.
Meister Istor setzte Atlan anschließend dennoch mit ruhiger Bestimmtheit vor die Tür. „Komm morgen Früh wieder her, Junge. Es war gut, dass wir darüber gesprochen haben, aber darüber hinaus dürfen wir nicht vergessen, dass noch andere Menschen von uns abhängig sind. Heute sollten wir beide uns erst einmal wieder unserer Pflicht widmen.“
Erleichtert machte Atlan sich auf den Heimweg. Durch seine persönliche Betroffenheit hatte er bereits befürchtet, allmählich paranoid geworden zu sein. Mittlerweile sah er Feinde und Verschwörungen überall. Immerhin wusste er jetzt, dass er damit nicht ganz alleine war.
Noch mehr erstaunte es ihn, als er am nächsten Morgen nicht nur Istor, sondern auch zwei weitere Priester antraf. In einem von ihnen erkannte er Peron, der ihn vor einem halben Leben zum ersten Mal zu Meister Ektor gebracht hatte. Der andere Mann war ihm unbekannt, aber er stellte mit Unbehagen fest, dass die Wärme, die das runde Gesicht des Priesters eigentlich ausstrahlen müsste, sich weder in seinen Augen noch seiner Stimme wiederfand. Sein Name war Helbar, ein weiterer Leiter eines Gebetshauses.
Nach der etwas steifen Begrüßung kam Peron sehr schnell zum Punkt.
„Du liegst richtig mit deiner Vermutung, Atlan – Seru wurde ermordet. Sein Essen muss vergiftet worden sein. Zwei Novizen haben ihn völlig verrenkt und mit Schaum vor dem Mund in seinem Zimmer entdeckt. Wie es aussieht, hat er versucht, sich den Hals aufzukratzen, bevor das Gift ihn erstickt hat.“
Atlan schluckte mühsam. So ein Schicksal hatte er dem alten Meister trotz seiner Angst vor ihm nicht gewünscht. Das Zittern in seiner Stimme verriet ihn. Mit einem Mal fühlte er sich wieder so jung und weltfremd, wie er eigentlich noch sein sollte, als er fragte: „Gibt es denn keinen Hinweis, wer dafür verantwortlich ist?“
Peron schüttelte den Kopf, doch Helbar fuhr dazwischen. „Hinweise? Ich kann dir sagen, wer das zu verantworten hat. Der Witz von einem Priester, der sich Serus Nachfolger nennt.“
Aus Atlans Gesicht wich angesichts dieses Vorwurfs jede Farbe, aber Peron widersprach vehement. „Unsinn. Nur weil der Junge am meisten durch Serus Tod gewonnen hat, macht ihn das nicht zum Mörder.“
Helbar ließ sich davon aber nicht beeindrucken. „Warum sollte er sonst niemandem außerhalb des Klosters Bescheid geben? Wozu diese geheime Beisetzung?“
„Allerdings eine weitreichende Entscheidung des jungen Nachfolgers“, warf
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