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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Puljic
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schließlich ein hochgewachsener, schmaler Mann.
    „Du! Wie ist dein Name?“, fragte der Präsident.
    „Bretos, Präsident.“ Nach einem auffordernden Nicken von Sepion fuhr er fort. „Ich bin der Verwalter der Glasfabriken von Ostyorak. In der kurzen Zeit, seit der die Puristen aktiv geworden sind, konnten wir den Umsatz um vierhundert Prozent steigern.“ Diese Information brachte ihm von allen Seiten Stirnrunzeln ein. Das war nicht gerade die Art von Aussage, die man bei einer Krisensitzung erwartete. Doch Bretos hatte noch nicht zu Ende gesprochen.
    „Die erhöhte Produktivität hat aber auch die Häufigkeit von Zwischenfällen in den Fabriken um nahezu achthundert Prozent gesteigert. Die Arbeiter sind unruhiger als je zuvor. Meine Mitarbeiter haben mehrere Nachrichten abgefangen, die zwischen den Arbeitern herumgehen. In denen wird von den Puristen als einem Weg in die Freiheit gesprochen. Immer öfter kann ich nicht alle Maschinen besetzen, weil Arbeiter einfach nicht zur Schicht erscheinen und verschwinden.“
    Ein Mann rechts von ihm erhob sich ebenfalls. Ohne die Aufforderung zu sprechen abzuwarten, rief er: „Die Kameras in einem meiner Läden haben eine Gruppe von Puristen aufgezeichnet, die bis vor kurzem noch zu meinen eigenen Angestellten gehört hatten. Sie mussten auf die Straße gesetzt werden, weil sie durch ihre Schlamperei untragbar geworden waren.“ Dass den Männern ein einziges Mal eine Kiste mit Ampullen zu Bruch gegangen war, erwähnte er nicht, sondern setzte sich mit vor der Brust verschränkten Armen wieder.
    Bretos folgte seinem Beispiel, ließ sich aber mit mehr Würde und ohne diese unnötige Geste auf seinen Stuhl nieder.
    Der Präsident rieb seine fleischige Nase. Nachdenklich fasste er zusammen: „Die Puristen erhalten also beständig Verstärkung.“
    Der Kriegsminister sprang auf und rief mit donnernder Stimme: „Wir merzen sie aus, dann haben diese Feiglinge niemanden mehr, zu dem sie kriechen können. Ohne Führung sind sie nicht fähig, solche Irrsinnigkeiten auszuhecken.“
    Offensichtlich war dem Guten etwas zu viel Kampfeslust beigegeben worden, denn wie Lakton, der Minister für Finanzen, richtig einwarf: „Ausmerzen wäre eine großartige Lösung, Jorek. Aber du vergisst etwas Wesentliches: Deine Leute konnten bisher nicht einen dieser Vandalen schnappen, geschweige denn herausfinden, wo sie sich sammeln. Sie sind wie Ratten, die durch die Stadt wuseln. Sie sind überall, aber wenn man ihr Nest nicht findet, wird man ihnen nichts Endgültiges antun können.“
    Nachdenkliches Schweigen senkte sich über die Anwesenden, in dem überdeutlich das helle Seufzen des Präsidenten zu hören war. Schließlich erhob sich eine düster aussehende Gestalt, die sofort sämtliche misstrauische Blicke auf sich zog. Niemand wusste genau, wer der Mann war, woher er kam oder was seine Aufgabe war. Offensichtlich war nur, dass er zu den engsten und einflussreichsten Beratern des Präsidenten gehörte und seine Augen und Ohren überall zu haben schien. Hinter seinem Rücken war er bereits zum „Minister für Geheimnisse“ geworden – ein Name, von dem viele zu Recht befürchteten, dass er dem Mann längst bekannt war.
    Sepion sah mit unverhohlener Anerkennung und Zuversicht zu ihm auf. „Was meinst du zu dieser Angelegenheit, Ramin?“
    Der alte Priester lächelte kalt. „Die Exekutive allein wird sie nicht aufspüren. Ihr müsst diejenigen für euch gewinnen, die wissen, wo die Reinen zu finden sind.“
    „Und wer soll das sein, deiner werten Meinung nach?“, fragte Jorek zornig.
    „Die Bevölkerung. Die Armen und Ärmsten. Natürlichgeborene. Unter den Puristen sind ihre Kinder, Geschwister, Freunde. Wenn jemand mehr über die Puristen herausfinden kann, dann sie.“
    Nachdem sich der erste Schock über die Aussicht, sich an Natürliche wenden zu müssen, gelegt hatte, kamen erste Widersprüche.
    Lakton fasste sie schließlich zusammen. „Selbst wenn sie die Reinen nicht als Helden verehren würden und wir ihnen die Gelegenheit dazu geben könnten, würden sie niemals mit uns sprechen.“
    „Der Feind meines Feindes soll mein Freund sein“, zitierte Ramin. „Dann bringen wir sie eben dazu, in den Puristen keine Helden, sondern eine Bedrohung zu sehen.“
    „Und wie?“ Sepion war seine Aufregung anzusehen, auch wenn sie – wie bei allen anderen im Raum – nur ein antrainiertes Abbild echter Gefühle war. Doch Ramin ließ sich durch solcherlei Haarspaltereien nicht

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