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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Puljic
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einem Mal sah Ariat noch weit jünger aus, als sie ohnehin war. Blass und mit Augen, die ihr gesamtes Gesicht einzunehmen schienen, sah sie stumm zu dem Trümmerhaufen, der sie so viel Vorbereitung gekostet hatte. All die Vorbereitungen, das Risiko … Und diese Monster konnten einfach weitermachen wie bisher?
    „Sie werden wieder einmal nicht zugeben, wer dafür verantwortlich ist. Wahrscheinlich werden sie sich auf eine Materialschwäche ausreden, nur um nichts unternehmen zu müssen.“
    Schweigend sahen sie eine Weile weiter zu, wie die Menge auf der Hauptstraße immer größer wurde. Dann wandte Ariat sich mit einem Lächeln an ihre Verbündete.
    „Dort draußen sind Kameras ohne Ende.“
    „Na und?“ Maretha sah darin keinen besonderen Grund zur Freude. Bis Ariat aus den Falten ihres Gewandes eine Handgranate von beeindruckenden Ausmaßen hervorzog. Es hatte wohl doch seine Vorteile, bei den richtigen Männern die Beine breitzumachen, denn anders konnte sie nicht an dieses Ding gekommen sein. Haron achtete zu sehr auf die geplünderte Beute, speziell, wenn es sich dabei um Nahrung oder Waffen handelte.
    Und bei diesem Gedanken verschwanden alle Hemmungen in ihr. Zum ersten Mal, seit sie zu den Puristen gestoßen war, dachte sie nicht darüber nach, ob Xenos eine Aktion gutheißen würde. Sie dachte nur an die Möglichkeiten, die diese Granate eröffnete. Endlich nicht mehr verstecken, endlich der Welt ihren Hass in das verdorbene Angesicht schreien.
    Sie nickte Ariat zu und legte die Hände an ihren entstellten Mund. So laut sie konnte, rief sie den versammelten Gaffern zu, die mittlerweile so dicht standen, dass die Brandbekämpfer nicht einmal abrücken konnten. „Hey, ihr Idioten! Wollt ihr wissen, wer euer tolles Center in Trümmer gelegt hat?“
    Köpfe und Kameras schwenkten herum und fixierten die beiden Frauen mit kalten Blicken. Hinter Maretha ertönte ein leises, metallisches Klicken. Mit einem lauten „Wir waren es!“ von Ariat flog die Handgranate in hohem Bogen über ihren Kopf, segelte ein gutes Stück über die überfüllte Straße und verschwand irgendwo in der Menge.
    Die Zeit reichte gerade noch für einen anerkennenden Gedanken über Ariats Wurfkunst, dann kam mit einem gigantischen Knall die Explosion und sie ergriffen die Flucht.
     
    An diesem Abend trauerten viele um verlorene Freunde und Angehörige. Erran aber kochte vor Wut. Dabei wusste er nicht, was ihn mehr in Rage brachte: dass wieder ein Familienmitglied getötet worden war, ohne dass etwas unternommen wurde, oder die absolute Passivität, mit der sein Vater die neue Schreckensnachricht aufgenommen hatte. Seit Nioves Tod hatte er kaum ein Wort gesprochen. Aber der Tod seines Sohnes sollte doch ebenfalls irgendwelche Gefühle auslösen, oder war das zu viel verlangt?
    Erran selbst hatte sich von Zarail emotional entfernt, aber er war immer noch sein Bruder gewesen. Dass auch Irela unter den Toten war, war natürlich tragisch, aber ganz zur Familie gehört hatte sie für ihn nie.
    Die Videos, die durch die Nachrichten jagten, waren diesmal mehr als eindeutig. Diese verrückten Puristen ermordeten nicht nur unschuldige Frauen und jagten Gebäude und Menschenversammlungen in die Luft, sie waren auch noch stolz darauf und brüsteten sich damit!
    Er hatte die Bilder gesehen, die einige jener Kameras aufgenommen hatten, die am nächsten an der Gasse gewesen waren, aus der heraus die Granate geworfen worden war. Zumindest das, was sie aufgezeichnet und an die Redaktionen übermittelt hatten, ehe sie in Fetzen gerissen worden waren. Zwei Frauen, beide entsetzlich verstümmelt, lachend und winkend. Und Sprengkörper werfend.
    „Wir waren es“, hatten sie gerufen. Mehr Beweise brauchte er nicht. Er wollte Rache für seine Geschwister. Wenn ihn die Regierung und die Exekutive dabei nicht unterstützten, dann eben auf eigene Faust. Noch einmal würde er sich nicht davon abhalten lassen.
    Wenn nur sein Vater endlich aus seiner Lethargie aufwachen würde! Er hatte Geld, Einfluss, Bekannte in hohen Positionen. Er könnte etwas bewegen, wenn er nur wollte!
    Natürlich würde das weder Niove noch Zarail zurückbringen, aber es musste etwas unternommen werden. Hätte er beim letzten Mal schon etwas getan, wäre sein Bruder vielleicht noch am Leben, und tausende andere Menschen ebenso.
    Die Frage war nur: Was konnte er tun? Niemand wusste, wohin sich diese Ratten verkrochen, wenn sie nicht gerade Unheil anrichteten. Besser gesagt: niemand,

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