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Das unheimliche Haus

Das unheimliche Haus

Titel: Das unheimliche Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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noch mehr gemeinsam. Unter anderem, daß er für sie und sie für ihn so ziemlich der wichtigste Mensch auf der Welt war. Und weil sie sich deshalb auch ohne viele Worte immer gleich verstanden, war der angehende Arzt auch gar nicht sauer, als sich Ursula Schärer plötzlich mit einem Ruck aufrichtete, ihn aus ihren lavendelblauen Augen anblickte und sagte: »Ich muß auf der Stelle in die Pension Flora.«
    »Wenn du meinst«, erwiderte er lediglich und fragte nicht weiter, obgleich er sich auf diesen Tag, an dem sie miteinander nur faulenzen und im Wasser herumschwimmen wollten, sehr gefreut hatte.
    Schon eine Viertelstunde später chauffierte er die Kriminalassistentin in seinem klapprigen VW über die Avus der Stadt zu.
    »Wie habe ich das nur vergessen können«, murmelte Fräulein Schärer ärgerlich.
    Als sie in der Sonne lag, hatte sie ganz plötzlich wie im Nebel den schmalen Flur der Pension vor sich gesehen, und zwar genau wie an jenem Abend, als Kommissar Jascheck seine Fahndungsbilder gezeigt hatte und dann mit seinem Lederkoffer im Treppenhaus verschwunden war. Frau Schiemann flitzte vom Telefon im Korridor in die Küche, und dort waren durch die geriffelte Glasscheibe hindurch nur noch schattenhafte Bewegungen zu erkennen. Aber gleich darauf huschte die Pensionsinhaberin wieder mit irgendwas in den Händen zum Telefon zurück. Auf diesem Irgendwas hatte sie sich ganz bestimmt die Telefonnummer aufgeschrieben, die sie dann gleich wählte, war es Ursula Schärer durch den Kopf geblitzt.
    Als der VW von Halensee zum Kurfürstendamm einbog, lehnte sich die Kriminalassistentin in ihren Sitz zurück und verschränkte die Arme. »Diesmal kriegen wir sie, oder ich freß einen Besen.«
    »Was heißt wir?« fragte der blonde Medizinstudent verwundert. Er hatte von allem noch kein einziges Wort begriffen.
    »Weil du mir Amtshilfe leisten wirst«, sagte seine Verlobte trocken. »So heißt das bei uns, und ich erklär’ dir auch gern, was es bedeutet.«
    »Ich kann’s mir vorstellen«, erwiderte der junge Mann. »Darf ich fragen, was du von mir erwartest?«
    Zwei Minuten später wußte er es, und bereits drei Minuten später klingelte Ursula Schärer an der Tür der Pension.
    Die Gäste waren um diese Zeit ausgeflogen, und Frau Schiemann wollte sich gerade eine Tasse Kaffee aufbrühen.
    Die Kriminalassistentin war auf die mürrische, geifernde Frau gefaßt, die sie ja kannte. Aber Frau Schiemann zeigte nicht die geringste Überraschung und sagte übertrieben freundlich: »Ach, Sie sind es, kommen Sie doch herein.«
    Die Alte war wie ausgewechselt, und Fräulein Schärer glaubte, falsch gehört zu haben. Sie konnte ja nicht ahnen, daß der »Mandarin« Frau Schiemann inzwischen eingetrichtert hatte, der Polizei gegenüber künftig besonders höflich zu sein.
    »Ich bin gerade beim Kaffeemachen«, meinte die Pensionsbesitzerin. »Darf ich Ihnen eine Tasse anbieten?«
    »Sehr freundlich«, sagte Fräulein Schärer, die ihre Verwunderung noch nicht ganz hinuntergeschluckt hatte.
    »Dann nehmen Sie doch schon mal drüben im Speiseraum Platz«, bemerkte die Schiemann.
    Mittlerweile hatte sich die Kriminalassistentin wieder gefangen und steuerte direkt auf ihr Ziel los. »Machen Sie sich doch keine Umstände«, sagte sie und ging auf den veränderten Ton ein. »In Ihrer Küche kann es ja auch gemütlich sein.« Dabei überlegte sie bereits, was sie wohl sagen sollte, wenn die Alte ablehnen würde.
    Aber Frau Schiemann schlitterte ahnungslos in die Falle hinein. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, meinte sie. »Das Wasser kocht schon.«
    Gerade fing der Kaffeekessel zu pfeifen an. Die Pensionsbesitzerin nahm ihn vom Herd und stellte zwei Tassen bereit. »Haben Sie noch Fragen, oder was wollen Sie?«
    »Eigentlich nur ein Routinebesuch«, erwiderte Fräulein Schärer und lächelte unverbindlich. »Es könnte ja sein, daß Sie doch noch etwas von Herrn Stielicke gehört haben...«
    In diesem Augenblick läutete das Telefon.
    »Ich würde Ihnen ja liebend gern behilflich sein«, meinte die Pensionsbesitzerin, während sie sich zum Korridor bewegte. »Entschuldigen Sie, ich bin gleich wieder da.« Darauf war zu hören, wie sie draußen den Telefonhörer abnahm. »Hier Pension Flora«., meldete sie sich.
    Ursula Schärer hatte sich, schon vom ersten Moment an, als sie hereingekommen war, möglichst unauffällig in der Küche umgesehen und immer wieder zu der Ecke hinter der Tür mit der geriffelten Glasscheibe hinübergelinst.

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