Das unheimliche Haus
Bursche an den Garderobenkästen, und auch der Bademeister tat es.
Unser Mann antwortete jedesmal mit einem stummen Kopfnicken, ohne die Miene zu verziehen.
»Nicht die beste Laune heute, was?« bemerkte ein breitschultriger Masseur in einem weißen Oberhemd und mit einer genauso weißen Hose. Wenn er gerade kein Opfer zum Durchkneten auf einer Bank hatte, verteilte er an die Badegäste Handtücher.
»Durchwachsen«, brummte der »Mandarin«, stellte sich unter eine der vielen Duschen und drehte sie auf eiskalt. Eine ganze Weile stand er breitbeinig da, den Kopf ein wenig gesenkt, die Augen geschlossen und rührte sich nicht. Das ist genau das, was ich jetzt brauche, dachte er, als das Wasser auf seiner Haut herumtrommelte. Anschließend kletterte er in das warme Thermalbecken. Zum Glück war die Halle um diese Zeit fast leer. Die Kurgäste saßen jetzt fast alle beim Mittagessen.
Er paddelte zur Quelle hinüber. Dort schoß das Mineralwasser aus rund zweihundert Meter Tiefe direkt aus der Erde. Er legte sich mitten unter den dampfenden Strahl und tauchte bis zum Kinn ins Wasser.
Der »Mandarin« brachte hier ziemlich regelmäßig seinen Rücken vorbei. Manchmal wollte seine Wirbelsäule nicht mehr so, wie sie sollte. Man wurde eben älter, und außerdem schleppte er einige Kilo zuviel mit sich herum. Sein Arzt hatte ihm Wärme empfohlen.
Nun, davon würde er schon sehr bald mehr als genug haben. Bereits für den kommenden Sonntag hatte er einen Flug nach Mombasa gebucht. Aber nicht als Einzelreisender und womöglich in der ersten Klasse, obgleich er sich das hätte leisten können, ohne mit der Wimper zu zucken. Schon morgen abend würde er im Geld schwimmen. Nein, er hatte sich eine möglichst billige Pauschalreise herausgesucht. Bestimmt würde es nicht besonders bequem sein, fünfzehn Stunden lang eingeklemmt und mit verknoteten Beinen in einem überfüllten Touristenbomber zu hocken. Aber die Sache hatte auch ihre Vorteile. Er würde unauffällig in der Masse untertauchen, und bei derartigen Reisegesellschaften, die wie ein Hornissenschwarm über den viel zu kleinen Flugplatz herfielen, wurde das Gepäck nicht kontrolliert — darauf kam es ihm an.
Und wenn er erst einmal neben der lauwarmen Brühe des Indischen Ozeans in der tropischen Sonne auf dem Bauch lag, hatte sein Rücken paradiesische Zeiten vor sich und würde dann bestimmt ganz schnell vernünftig werden.
Vernünftig — das war das Stichwort.
Was war passiert, wie sollte er sich vernünftigerweise jetzt verhalten? Also: Da klaut dieses Rhinozeros Sperling unsere Blüten und macht sie zu echtern Geld. Viel Zeit hat er dafür nicht gehabt, höchstens eine halbe Stunde. Schließlich weiß ich auf die Minute genau, wann er aus der Stadt zurückgekommen ist. Nun, in der Zeit kann er höchstens ein Dutzend Scheine versilbern, selbst wenn er Kopf und Kragen riskiert. Aber ob es ein paar mehr oder weniger sind, ist jetzt unwichtig wie ein abgebranntes Streichholz.
Im Augenblick geht es ganz allein darum, daß eine von den Blüten aufgeflogen ist.
Der »Mandarin« schüttelte unter dem dampfenden Wasserstrahl seinen Kopf. Eigentlich kann das alles doch gar nicht wahr sein, und es ist einfach nicht zu fassen. Dieser verdammte Sperling weiß doch, daß er seinen Anteil kriegt wie jeder andere auch. Und trotzdem knallen ihm die Sicherungen durch, und das wegen ein paar lumpiger Kröten. Wieso, um alles in der Welt? Klar, daß der Bursche ausbaden muß, was er uns eingebrockt hat. Und zwar so, daß es ihm die Beine weghaut. Aber nicht sofort, nicht heute. Es darf keinen Knatsch unter den Männern geben. Nein, ich halte die Klappe und sage vorerst keinen Ton. Aber dieser falsche Hundertmarkschein hat natürlich Staub aufgewirbelt. Pech, daß er ausgerechnet in den Fingern eines Bankkassierers gelandet ist. Bei den Geschäftsleuten müssen die anderen Blüten, ohne aufzufallen, anstandslos in die Kassen gewandert sein. Was immerhin bedeutet, daß sie von echtern Geld nicht zu unterscheiden sind.
Die Wut des »Mandarin« war allmählich verraucht, und für einen Moment mußte er sogar lächeln. Genugtuung breitete sich bei ihm aus, und unwillkürlich stellte er sich hinter den geschlossenen Augen vor, wie seine zwei Druckmaschinen im Bunker diese so echt wirkenden Hunderter ausspuckten — pausenlos einen nach dem anderen, jetzt in diesem Augenblick und noch die ganze kommende Nacht hindurch.
Was konnte schiefgehen? Schön, die örtliche Polente war
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